Antonio Rüdiger trifft mit dem Chelsea London im Champions-League-Achtelfinale auf den FC Bayern München. Foto: AFP/ADRIAN DENNIS

Ex-VfB-Spieler Antonio Rüdiger tritt immer häufiger als Vorkämpfer gegen Rassismus auf. Auch auf dem Platz ist der Abwehrchef von Chelsea London zur Leitfigur gereift.

London - Antonio Rüdiger kämpft nicht für sich allein. Der Nationalspieler streitet für seine „Brüder“ Jordan Torunarigha oder Leroy Kwadwo, die er nach den jüngsten rassistischen Schmähungen im persönlichen Gespräch unterstützte. Rüdiger kämpft unermüdlich und stärker denn je: für Djamal. Sein am vergangenen Donnerstag geborener Sohn soll in einer besseren Welt aufwachsen, einer Welt ohne Rassismus.

„Soweit wie die Gesellschaft heute ist, wird am Ende des Tages höchstwahrscheinlich auch mein Kind darunter leiden“, sagte Rüdiger nach den Buhrufen der Tottenham-Fans bei der Generalprobe des FC Chelsea für den Champions-League-Hit gegen Bayern München am Dienstag. Für den 26-Jährigen steht fest: „Wenn nicht gehandelt wird, (...) dann haben wir verloren.“

Vom Rüpel zur Führungskraft

Rüdiger ist längst zu einem Vorkämpfer gegen den Rassismus in den Stadien geworden. Er ist vom einstigen Rüpel zur Führungskraft gereift - auch, weil er immer wieder Opfer wurde. In Jena als Drittligaspieler, in Italien, auf der Insel. Erst am Samstag wieder beim 2:1 gegen die Spurs, als er mit den Tränen kämpfte und kurzzeitig resignierte. „Der Rassismus hat gewonnen!“, sagte Rüdiger bei Sky-Sport, weil genau jene „Fans“, die ihn bereits im Dezember verunglimpft hatten, wieder auffällig geworden waren.

Doch er fand seinen Kampfgeist schnell wieder. „Es muss Widerstand geben“, forderte Rüdiger wie zuvor im SID-Gespräch („Taten müssen folgen! Alles andere hilft nichts“). Ja, er fühle sich in seinem Kampf alleine, aber er werde nie aufgeben: „Ich werde immer meine Stimme erheben.“ Allein, um die Spirale hin zur Gewalt zu durchbrechen. „Erst Torunarigha, dann Kwadwo, dann gibt’s Tote“, sagte Rüdiger angesichts des Terrors von Hanau. Es war der Auftritt einer Leitfigur.

Alles easy?

Als solche glänzt Rüdiger seit geraumer Zeit auch auf dem Platz, sein Image als „Rocky“ Rüdiger und „Pulverfass“ (Ex-U21-Coach Horst Hrubesch) hat er längst abgelegt. Als Heranwachsender im „harten“ Berliner Stadtteil Neukölln habe er zeigen wollen: „Man ist unverwundbar, man ist hart und alles.“ Inzwischen sei er deutlich entspannter. Rüdiger spricht sehr ruhig, er wägt seine Worte genau ab, immer wieder beschließt er seine Sätze mit dem Wort „easy“ (leicht, locker, einfach).

So abgeklärt organisiert der frühere Stuttgarter auch die Chelsea-Abwehr, überzeugt mit gesunder Härte und unglaublichem Tempo. „Er hilft uns, weil wir viele junge Spieler haben“, sagt Teammanager Frank Lampard. Kann „Boss“ Rüdiger, wie Kumpel Jerome Boateng behauptet, auch in der DFB-Elf bei der EM in diese Rolle schlüpfen? „Ich bin hier, ja“, sagt er, „ich weiß, was zu tun ist.“

Und doch sieht er sich, ähnlich wie damals in Neukölln, bei der Nationalmannschaft in der Bringschuld. Rüdiger hat als Stammspieler den Confed Cup gewonnen, doch seine Turnier-Bilanz ist ausbaufähig. „Ich habe was zu beweisen, das ist so, wie ich fühle“, sagt er: „Wenn man meine Leistungen bei Chelsea und für den DFB vergleicht - da ist der Abstand ein bisschen groß.“

Große Spiele gegen große Gegner wie am Dienstag können helfen. Dass er es mit einem „Killer“ wie Robert Lewandowski zu tun bekommt, bringt Rüdiger nicht aus der Fassung. „Ich schlafe generell gut“, sagt er cool. Wäre da nur nicht Djamal.