Rainer Adrion (re., neben Ex-VfB-Coach Kramny): Südländer tun sich auf Grund ihrer Mentalität mit der Förderung von Ausnahmetalenten leichter. Foto: Baumann

Wo sind die Flügelspieler und Dribbler der Marke Robben und Ribéry?, fragt Rainer Adrion. Der Ex-U-21-Nationaltrainer fordert nach Platz fünf bei der U-19-EM ein Umdenken bei der Nachwuchs-Ausbildung.

Stuttgart - Die letzten Titel einer deutschen Nachwuchsauswahl datieren aus den Jahren 2009 und 2014. Bei der aktuellen U-19-EM im eigenen Land reichte es nur zu Platz fünf – aber immerhin für ein Ticket für die U-20-WM 2017.

Herr Adrion, wie beurteilen Sie das Abschneiden der deutschen U 19?
Das waren spannende Spiele, Nervenkitzel pur. Insgesamt würde ich sagen, das deutsche Team hat sein Minimalziel erreicht. Durch den fünften Platz ist die Mannschaft bei der U-20-WM 2017 in Südkorea dabei. Das ist super, denn solch eine Teilnahme bringt den Spielern einen enormen Erfahrungsschatz. Während der Ausbildung solche Turniere zu spielen und möglichst auch noch einen Titel zu holen ist optimal.
Warum hat es für die U 19 aber wieder nicht ganz nach vorne gereicht?
Die Spitze liegt sehr dicht beieinander. Das italienische Team steht nun im Endspiel, und gegen Italien hätte Deutschland im Auftaktspiel in Stuttgart klar gewinnen müssen. Aber die individuelle Klasse entscheidet dann eben die engen Spiele, und da haben andere Nationen den einen oder anderen mehr zu bieten als wir.
Sind Korrekturen in der Ausbildung nötig?
Ich denke schon, dass Individualisten stärker gefördert werden müssten, Gleichmacherei im Team schadet. Man darf individuelle Klasse nicht durch taktische Zwänge hemmen. Viele Trainer definieren sich durch ihre Taktik. Die Handschrift eines Trainers zeigt sich nun mal eher mit einer geschlossenen Mannschaftsleistung als mit Individualisten. Natürlich müssen Risikopässe und spektakuläre Dribblings durch eine ausgewogene Mischung abgefangen werden, aber die besonderen Dinge müssen dringend forciert werden.
Wie genau?
Wir haben ein Überangebot an zentralen Mittelfeldspielern. Viele von ihnen müssen auf die Außenbahnen ausweichen. Wo aber sind die herausragenden Flügelspieler und Dribbler der Marke Robben und Ribéry? Wie gesagt: Spieler mit solchen Anlagen müssen frühzeitig unterstützt und gefördert werden. Und zwar sowohl vom Vereins- als auch vom Auswahltrainer. Die Südländer tun sich mit ihrer Mentalität da weitaus leichter als wir.