Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in New York – in demselben Gebäude hat Jonas Deusch als Praktikant gearbeitet. Foto: dpa

Sechs Monate lang hat Jonas Deusch aus Nagold als Praktikant bei den Vereinten Nationen gearbeitet – unbezahlt. Jetzt hat er einen Brief an den Generalsekretär Ban Ki-moon geschrieben: Deusch schlägt ein Stipendienprogramm für Praktikanten vor.

Stuttgart/New York/Genf - New York und Genf gehören zu den teuersten Städten der Welt. Dort arbeiten die meisten Praktikanten der Vereinten Nationen (UN). Obwohl die Organisation für faire Arbeitsbedingungen eintritt, zahlt sie ihren eigenen Praktikanten keinen Cent. Das will ein Baden-Württemberger nun ändern.

Jonas Deusch hat in letzter Zeit sehr viel Reis gegessen. Dabei war er nicht in China für ein Praktikum, sondern in den USA. Von September 2014 bis März 2015 hat Deusch beim Wirtschafts- und Sozialrat der UN Arbeitserfahrung gesammelt. Das Leben in New York ist teuer, aber Kochen war in Deuschs Wohnheim offiziell verboten. Deshalb hat der 26-Jährige einen Reiskocher in sein Zimmer geschmuggelt. Reis mit Fisch und gedämpftem Gemüse wurde schnell zu seinem Standardmahl. „Ein warmes Abendessen für weniger als vier Dollar (etwa 3,60 Euro), das ist in New York City sonst nicht zu haben“, sagt der junge Mann mit den kinnlangen, dunkelbraunen Haaren grinsend.

Für Deusch war es trotz eines Stipendiums des deutschen Bildungsministeriums und der Mercator-Stiftung schwierig, in New York über die Runden zu kommen. 100 deutsche Praktikanten bei internationalen Organisationen fördert das sogenannte Carlo-Schmid-Programm jedes Jahr mit Reisekostenzuschuss, Versicherung und Stipendium. In New York gab es für Deusch 1350 Euro pro Monat - so viel kostet in New York oft ein WG-Zimmer. Praktikanten aus anderen Ländern haben diese Möglichkeit nicht. Dementsprechend machte David Hyde, ein 22-jähriger Neuseeländer, vergangene Woche Schlagzeilen, weil er als UN-Praktikant in Genf in einem Zelt schlief. Anders, sagte Hyde, käme er in Genf ohne Einkommen nicht über die Runden.

3443 Praktikanten gab es bei den Vereinten Nationen im Jahr 2007. Damals wurden zuletzt offizielle Zahlen veröffentlicht. Mehr als die Hälfte der Praktikanten kam aus Europa, Nordamerika, Australien und Neuseeland. Nur rund sechs Prozent kamen aus Afrika - obwohl dort 2007 rund 14 Prozent der Weltbevölkerung lebte und Armutsbekämpfung ein Hauptanliegen der UN ist.

Alle Menschen sollen gleichermaßen die Möglichkeit haben, für die Vereinten Nationen zu arbeiten. Das steht in der UN-Charta. Unbezahlte Praktika, sagt Deusch, widersprächen diesem Grundsatz: Monatelang ohne Einkommen leben - das könnten sich nur wenige junge Leute leisten, sagt Deusch.

Am Freitag haben Deusch und seine Mitstreiter deshalb einen Brief geschrieben - an den Generalsekretär der UN: „Wir glauben, dass unbezahlte Praktika eine Barriere für qualifizierte junge Leute darstellen, die sich Arbeit ohne finanzielle oder andere Unterstützung nicht leisten können“, heißt es im Brief. Die Gruppe freue sich darauf, mit ihm „baldmöglichst“ konkrete Vorschläge zu besprechen. Eine Eingangsbestätigung kam zurück. „Jetzt wird es spannend“, sagt der junge Mann und lacht.

Was Deusch erreichen will, haben in den vergangenen Jahren schon andere versucht - erfolglos. Um ein Stipendienprogramm für Praktikanten zu ermöglichen, müssten die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen eine neue Resolution verabschieden. So lautete die Stellungnahme eines UN-Sprechers nach der Aktion des Neuseeländers. Nichts Geringeres als eine neue Resolution hat sich Jonas Deusch zum Ziel gesetzt. Mit anderen ehemaligen und aktuellen Praktikanten hat er eine Initiative für „qualitätsvolle und fair vergütete Praktika“ gegründet. Die Gruppe ist mit einer ähnlichen in Genf vernetzt. Jetzt wollen sie Regierungen finden, die das Thema im Herbst in der UN-Generalversammlung einbringen könnten. Mit einer endgültigen Entscheidung rechnet Deusch in diesem Jahr nicht. Schließlich müsse ein Stipendienprogramm gut durchdacht sein: Wenn dadurch die Zahl der Praktikumsplätze erheblich sinken sollte, wäre keinem geholfen, sagt Deusch.

Bis all dies geklärt ist, fordern Deusch und seine Mitstreiter Sofort-Maßnahmen. Die Cafeteria im New Yorker UN-Hauptgebäude etwa sollte ein vergünstigtes Mittagessen für Praktikanten anbieten, findet Deusch. Von Reis hat er bis auf Weiteres genug.

Mehr Informationen gibt es auf der Facebook-Seite von Jonas Deuschs Initiative und der Seite der Schweizer Gruppe „Pay Your Interns“.