Matthias Vosseler ist Pfarrer in der Stiftskirche Stuttgart. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Hinter dem Stiftskirchenpfarrer Matthias Vosseler formiert sich ein starker Aufbruch, den auch Konservative unterstützen.

Stuttgart - Das Interesse der Menschen, die neue Landessynode zu wählen, scheint überschaubar. Bei der Kandidatenkür in Stuttgart-Feuerbach war das jedenfalls augenfällig. „Es waren alle elf Kandidaten auf dem Podium“, erinnert sich Tobi Wörner, „aber nur 36 Interessierte waren da.“ Wo sind die anderen, fragte er sich später, aber fühlt sich so auch bestätigt: „Wir müssen gegen diesen Bedeutungsverlust dringend etwas tun.“ Wenn es nach ihm als Laien-Kandidat des Gesprächskreises Kirche für morgen geht, dann braucht es einen radikalen Aufbruch.

Wörner, der in Stuttgart die Seele des Milieu-Gottesdienstes „Jesustreff“ ist, fordert mutige Entscheidungen: „Wir wollen, dass zehn Prozent allen Geldes und aller Ressourcen in der Landeskirche für innovative, belebende und kirchliche Start-ups eingesetzt werden.“ Unterstützt wird er von Ex-VfB-Profi Cacau: „Ich wünsche der Kirche, dass sie wieder mehr Menschen mit dem Evangelium erreicht. Dafür braucht sie frische Ideen, neue Formen und Teamgeist.“

Diese Ziele will Wörner gemeinsam mit Theologen-Vertreter Matthias Vosseler, dem Stiftskirchenpfarrer, angehen. In diesem Tandem ist Vosseler der gemäßigte Teil, der auf „Internationalität unserer Stadt“ pocht. Wörner hingegen sieht mit großer Sorge, dass sich mehr Menschen von den Kirchen abwenden oder bei den Freikirchen landen: „Natürlich führt der demografische Wandel zu einem Mitgliederrückgang, aber gut die Hälfte des 50-prozentigen Rückgangs, den die Freiburger Studie bis 2030 prognostiziert, ist in ihrer Entscheidung noch beeinflussbar.“ Daher sagt er: „Wir brauchen Ideen, wie Kirche relevant für alle sein kann.“

Vosseler werden allerbeste Siegchancen eingeräumt

In Stuttgart zeigt sich zudem, dass die Gräben zwischen den kirchenpolitischen Gruppierungen durchaus zu überbrücken sind. Deutlich wird dies an der Personalie Matthias Vosseler. Er tritt als Theologen-Vertreter gegen die Platzhirsche Eckart Schultz-Ber, den Dekan von Bad Cannstatt, der für die liberale Offene Kirche kandidiert, und gegen den Stadtdekan Sören Schwesig an, der zur Gruppierung Evangelium und Kirche (kirchenpolitische Mitte) gehört. Er ist damit der Herausforderer der Theologen-Kandidaten. Vosseler werden freilich allerbeste Siegchancen eingeräumt. Der Grund ist eine kirchenpolitische Verständigung. Denn die Lebendige Gemeinde (LG) – sie gehört zum starken pietistisch-konservativen Teil der Württembergischen Landeskirche – verzichtet nach dem Rückzug der Synodalen Franziska Stocker Schwarz, die das Bibelmuseum leitet, auf einen eigenen theologischen Aspiranten. Stattdessen gehen lediglich die Laien Christina Potreck und Dieter Abrell für die Lebendige Gemeinde ins Rennen. „Bitte geben Sie zwei Stimmen für den Stiftskirchenpfarrer Vosseler“, ruft Abrell allen LG-Sympathisanten zu. Denn, so betont Abrell: „Theologisch steht Vosseler uns sehr nah.“

Da nur zwei Theologen aus Stuttgart in die Synode einziehen werden, rechnen viele damit, dass Stadtdekan Schwesigs Chancen durch diesen Schachzug der LG stark sinken. Er selbst nimmt die „spannende Herausforderung“ an, „wundert“ sich aber über den Rückzug der LG. In der Bewertung dieser Wahlempfehlung sind sich Wörner und Schwesig einig: Solche Manöver der LG seien nur in der Stadt denkbar, auf dem Land eher unmöglich. Das Lagerdenken habe sich in der Stadt aufgelöst. Die Stuttgarter Vertreter der LG sind laut Schwesig sehr „pragmatische Menschen, die einen respektvollen Umgang pflegen. Genau dieses Miteinander ist es, das wir auch in der Landessynode brauchen“.