Annegret Kramp-Karrenbauer ist seit Dezember 2018 die Bundesvorsitzende der CDU. Foto: dpa

Das schlechteste Europawahlergebnis lässt Forderung nach inhaltlicher und personeller Erneuerung lauter werden. Vor allem junge Wähler verlieren das Vertrauen in die Unionsparteien.

Berlin - Sie sind darauf eingestellt gewesen, dass es das schlechteste Europawahlergebnis ihrer Geschichte werden würde. Viel zu weit waren sie in den Umfragen von den 35,3 Prozent von 2014 entfernt gewesen, die für CDU und CSU schon damals einen Negativrekord darstellten. Trotzdem sind die Gesichter lang geworden in der Berliner Parteizentrale, als der Gewinn-und-Verlust-Balken am Sonntagabend noch einmal nach unten ausschlug – und zwar so deutlich, dass die innerparteilichen Diskussionen unmittelbar nach Schließung der Wahllokale an Fahrt aufgenommen haben.

Erfolg in Bremen als Trostpflaster

Das umjubelte Trostpflaster, den Sozialdemokraten in Bremen erstmals Paroli geboten und mit dem Quereinsteiger Carsten Meyer-Heder sogar an SPD-Bürgermeister Carsten Sieling vorbeigezogen zu sein, ändert kaum etwas an der schwachen Gesamtbilanz. Das deutschlandweite Ergebnis zeigt, dass allein die Personalie Annegret Kramp-Karrenbauer, die als Vorsitzende konservativere Töne als Angela Merkel anschlägt und in der Partei damit ankommt, im Vergleich zur Hessenwahl im Herbst keinen Stimmungsumschwung ausgelöst hat.

Am Sonntagabend versuchte AKK zu beschwichtigen, verwies neben dem Bremer Erfolg auch darauf, dass der erste Platz in der deutschen Parteienlandschaft unangefochten geblieben ist. Aber auch sie kam nicht umhin einzugestehen, dass mit einem Ergebnis deutlich unter der 30-Prozent-Marke die eigenen Ansprüche nicht erfüllt und „Fehler“ gemacht worden sind. Die Parteichefin räumte auch ein, dass die CDU bei den Themen Klimaschutz und Digitalisierung bisher überzeugende Lösungen schuldig geblieben ist.

Forderungen nach Kanzleramtswechsel

Keine Rolle spielte am Wahlabend die schon länger kursierende Forderung konservativer Kreise, einen Wechsel im Kanzleramt von Merkel zu Kramp-Karrenbauer herbeizuführen – wohl auch, weil sie einen parteipolitisch oder verfassungsrechtlich gangbaren Weg dorthin bisher nicht aufzuzeigen vermochten. Trotz des miserablen Abschneidens der SPD fand sich im Adenauerhaus niemand, der deshalb ein Ende der gemeinsamen Koalition prophezeien wollte. Dies war nach Aussage von Teilnehmern auch in der Präsidiumssitzung am Abend kein Thema.

Das neuerliche Debakel führte zu der Erkenntnis, dass Merkels Rückzug vom CDU-Vorsitz kein ausreichendes Signal der Erneuerung gewesen ist. Der Lörracher Bundestagsabgeordnete Armin Schuster etwa hält „jetzt schnelle neue Impulse für die Aufstellung der Bundespartei für notwendig, inhaltlich wie personell“. Die Staatsministerin für Integration im Kanzleramt, Annette Widmann-Mauz, sagte: „Wir müssen mit mehr Tempo eine Politik aus einem Guss mit klaren Positionen formulieren – mit Köpfen, die diese Themen auch verkörpern.“ Für eine Kabinettsumbildung, für die es scheinbar schon konkrete Pläne gibt, mochte sich am Sonntagabend aber niemand aussprechen – ein Parlamentarier aus dem Südwesten forderte dies nur ohne Namensnennung: „Manche CDU-Minister liefern nicht gerade eine Top-Performance ab.“.

Jungwähler wenden sich ab

Die anstehenden Termine bieten Gelegenheit, um Konsequenzen aus dem enttäuschenden Ergebnis zu ziehen: Neben der Nachwahlbetrachtung von Präsidium und Bundesvorstand ist für nächstes Wochenende eine Klausurtagung angesetzt. Außer von der Personalpolitik dürfte die Tagesordnung davon bestimmt werden, dass nur noch 13 Prozent der unter 30-Jährigen die Union gewählt haben. Sie „jünger, cooler und offener“ zu machen sei die künftige Herausforderung, sagte CSU-Chef Markus Söder. „Wir müssen uns damit beschäftigen, wie junge Leute bei uns wieder eine politische Heimat finden“, forderte der nordrhein-westfälische Bundestagsabgeordnete Peter Beyer. Ebenso wie die schwache Reaktion auf das Anti-CDU-Video des Youtubers Rezo prägte der Umgang mit der Fridays-for-Future-Bewegung die Diskussionen: „In der CO2-Debatte“, sagte etwa Schuster, „sind wir nicht progressiv und eindeutig aufgestellt.“