Manfred Weber hat sich optisch verändert – wie es politisch für ihn weitergeht, bleibt allerdings unklar. Foto: dpa/Nicolas Armer

Der Ex-Spitzenkandidat aus Bayern hat sich beim Umgang mit seiner heftigen Niederlage nach der letzten Europawahl Respekt erworben. Dennoch wird er beim Parteitag nicht an die Spitze der europäischen Christdemokraten rücken. Welche Optionen hat er noch?

Brüssel - Er war - trotz Verlusten - der Sieger der Europawahl und wäre fast Kommissionspräsident geworden. Doch wenn sich die christdemokratische europäische Parteienfamilie (EVP) am Mittwoch in Zagreb zum Kongress trifft, wird CSU-Vize Manfred Weber nicht ganz vorne stehen. Nicht der Niederbayer (47) wird von den Delegierten zum neuen EVP-Chef gewählt, sondern der Pole und bisherige EU-Ratspräsident Donald Tusk (62). In der EVP gibt es Stimmen, die dies nicht als Niederlage für Weber gewertet wissen wollen. Schließlich sei der Job an der Parteispitze traditionell einer für verdiente Politiker am Ende ihrer Karriere, wie etwa für Tusk, als Ex-Regierungschef Polens. Zudem sei zu beachten, dass mit Ursula von der Leyen an der Spitze der Kommission und Weber an der Spitze der Fraktion schon zwei Deutsche vertreten seien. Noch ein Deutscher an der Parteispitze wäre wohl „zu viel“ gewesen.

Er hätte deutscher Kommissar werden können

Doch es stellt sich die Frage: Was wird aus Weber? Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte ihn brutal als Kommissionspräsident ausgebremst. Weber hätte deutscher Kommissar mit attraktivem Portfolio werden können. Doch er wollte nicht. Stattdessen wollte er für die volle Wahlperiode Präsident des Europaparlaments werden. Das wäre ein großes Zugeständnis gewesen, sonst wird zur Hälfte des Mandates gewechselt. Er hoffte wohl, sich – wie seinerzeit der SPD-Politiker Martin Schulz – Anerkennung zu erwerben, um seine Chancen zu steigern. Doch auch die fünfjährige Amtszeit war ihm nicht vergönnt.

Jetzt ist Weber wieder Fraktionschef, genauso wie vor seiner Kandidatur. Er will David Sassoli als Parlamentspräsident zur Hälfte der Wahlperiode ablösen. Doch im Parlament heißt es bereits, Webers Wahl sei heute „kein Selbstläufer“. In der eigenen Fraktion sind viele enttäuscht, weil sie für ihn Wahlkampf gemacht haben und die Idee der Spitzenkandidatur dann so kläglich gescheitert ist. Auch habe Weber manchen Versprechungen gemacht, die er nicht halten konnte.

Respekt habe er sich aber erworben, wie er mit seiner heftigen Niederlage umgegangen ist. In der Fraktion hatte er unmittelbar nach ihrer Benennung von der Leyen seine Loyalität bekundet: „Hier begann meine Spitzenkandidatur, und hier endet sie auch.“ In der Fraktion, die zur Hälfte aus Parlamentsneulingen besteht, gilt Weber immer noch als die Nummer eins. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass er erneut Spitzenkandidat werden will. Womöglich peilt Weber auch einen Wechsel in die Landes- oder in die Bundespolitik an.

Abrechnung mit Orban?

Bei ihrem Treffen in Zagreb will die EVP nun doch nicht über den weiteren Umgang mit der ungarischen Fidesz-Partei des EU- und Brüssel-Verächters Viktor Orbán entscheiden. Um seine Chancen zu steigern, bei einer Wahl zum Kommissionspräsidenten auch die Stimmen von Grünen und Sozialdemokraten zu bekommen, hatte Weber dafür gesorgt, dass die Mitgliedschaft der Fidesz in der europäischen Parteienfamilie ruht. Drei sogenannte Weise in der EVP – Herman Van Rompuy, Hans-Gert Pöttering und Wolfgang Schüssel – sollten einen Bericht schreiben, ob Orbáns Politik noch mit den Werten der EVP vereinbar ist. Auf Basis dieses Berichts sollte dann entschieden werden, ob Orbán endgültig gehen muss oder wiederaufgenommen wird. Der Report wird aber nicht auf dem Parteitag behandelt werden. Angeblich ist er nicht fertig, es gehe nicht darum, sich um eine unpopuläre Entscheidung zu drücken. Tatsächlich sind die Fidesz-Leute beim Treffen in Kroatien nicht eingeladen. Auch die zwölf Fidesz-Abgeordneten, die im EU-Parlament wie eh und je in den Reihen der EVP sitzen, werden wohl nicht kommen. Spekuliert wird, dass die Parteiführung die Fidesz-Entscheidung nur verschieben will. Womöglich will man dem künftigen EVP-Chef Tusk, der gegen Orbán immer klare Worte gefunden hat, die Chance geben, mit dem Orbán-Rauswurf klare Kante zu zeigen. Damit würde er sich aber nicht nur Freunde machen – die EVP ist in dieser Frage gespalten. Ein führendes EVP-Mitglied prognostiziert: „Die Lage für Fidesz wird mit Tusk nicht einfacher.“