Wer hat an der Uhr gedreht? Foto: dpa

Der Vorstoß der EU-Kommission, der so bürgernah gedacht war, droht sich am Ende als Einfallstor für die Populisten herauszustellen, meint unser Kommentator Markus Grabitz.

Brüssel - Mit dem Vorschlag den Wechsel zwischen Sommer- und Winterzeit abzuschaffen, biedert Brüssel sich beim Zeitgeist an. Beim vermeintlichen Zeitgeist, wohl gemerkt. „Die Menschen wollen das, wir machen das.“ Mit diesem Hinweis auf das Ergebnis der Bürgerkonsultation hatte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker seinen Vorstoß für die Abschaffung der Zeitumstellung angekündigt. Zum Ende seiner Amtszeit war seine Sehnsucht wohl groß, endlich einmal auf der Welle der öffentlichen Meinung zu reiten. Dabei ist das Ergebnis der Umfrage nicht repräsentativ, vor allem Deutsche und Österreicher gaben den Ausschlag. Niemand kann absehen, ob viele mehrfach abgestimmt haben. Vor allem aber: Absehbar ist, dass bei wichtigeren Anliegen, etwa bei Handelsabkommen oder umstrittenen Infrastrukturprojekten, Kritiker demnächst auch ein Mitspracherecht der Bürger einfordern – und auf angeblich eindeutige Ergebnisse von Online-Petitionen verweisen. Da wird es dann schwer fallen, das Argument, das ist Bürgers Wille, vom Tisch zu wischen.

Kommt das ganz große Zeit-Chaos?

In der Sache zeichnet sich zudem ab, dass die Kommission mit ihrem Beschluss das ganz große Zeit-Chaos auslöst. Unterschiedliche Zeitzonen zwischen Belgien und den Niederlanden sind denkbar. Gut möglich, dass sich die widerspenstigen Schweizer von Brüssel gar nichts diktieren lassen und auf ihrer ganz eigenen „Zeit“ pochen, während in Deutschland die Uhren wieder anders gehen könnten.

Wenn es dumm kommt und sich die Mitgliedstaaten nicht auf ein koordiniertes Verfahren einigen, bekommen die EU-Bürger einen zeitlichen Flickenteppich. Und der Vorstoß, der so bürgernah gedacht war, stellt sich am Ende als Einfallstor für die Populisten heraus. Sie werden sagen, was sie immer sagen: Brüssel ist an allem schuld.

markus.grabitz@stzn.de