Integrationsfaktor Job: eine Schülerin aus Guinea bei einem Kurs im E-Schweißen. Foto: dpa

Eine Studie sagt, dass sich Muslime in Deutschland besser integriert fühlen als im europäischen Durschnitt. Nur eine Untergruppe gibt an, in Deutschland besonders schlimme Diskriminierung zu erfahren.

Stuttgart - Vermutlich hätte es nicht verwundert, wäre es die Gruppe der Nordafrikaner gewesen, die in der aktuellen Studie über EU-Bürger muslimischen Glaubens besonders über Diskriminierung in Deutschland geklagt hätte. Nach der Kölner Silvesternacht 2015/16 brachte es die von der Düsseldorfer Polizei in die Welt gesetzte Vokabel „Nafri“, was für „nordafrikanischer Intensivtäter“ steht, zu zweifelhaftem Ruhm, der Hass im Netz ließ nicht lange auf sich warten. Doch laut der Studie der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA), für die EU-weit 10 000 Muslime befragt wurden, erklären besonders Schwarzafrikaner, die aus Gebieten südlich der Sahara stammen, in Deutschland häufig Opfer von Diskriminierung geworden zu sein.

Keine andere untersuchte Gruppe in keinem anderen EU-Land berichtet von mehr Ausgrenzung oder herkunftsbedingter Benachteiligung. 50 Prozent der befragten muslimischen Schwarzafrikaner sagen, in den letzten zwölf Monaten Diskriminierung aufgrund ihres Glaubens oder ihres Migrationshintergrunds erfahren zu haben. Von solchen Fällen weiß auch Adedamola Onipede vom Afrikanischen Verein Stuttgart, der dem Forum der Kulturen angehört. Er erzählt davon, dass eine Familie die dem weißhäutigen Mann zugesagte Mietwohnung nicht bekam, als der Vermieter die schwarzafrikanische Ehefrau sah. „Ja, es gibt Diskriminierung in Einzelfällen“, sagt auch Hubert Agyemang vom Verein Deutsch-ghanaische Freundschaft.

Abgesehen von den Schwarzafrikanern muslimischen Glaubens fühlen sich die meisten in Deutschland lebenden Muslime hier aber offenbar besser aufgehoben als im europäischen Durchschnitt. 17 Prozent der Muslime in Deutschland gaben an, in den letzten fünf Jahren wegen ihrer Abstammung, 16 Prozent wegen ihrer Religion mindestens einmal diskriminiert worden zu sein. Nur drei Prozent gaben an, explizit wegen ihrer Hautfarbe Probleme gehabt zu haben. In anderen EU-Ländern sind die Werte deutlich höher: Besonders Griechenland scheint laut der Studie ein Rassismusproblem zu haben, 52 Prozent der Befragten berichten von Diskriminierung aufgrund ihrer Herkunft, 25 Prozent wegen ihrer Hautfarbe im Speziellen.

Besonders im Alltag gibt es Diskriminierung

Den höchsten Grad wegen religionsbedingter Diskriminierung bringen bei der Befragung die Niederlande auf: 30 Prozent der befragten Muslime wollen in den vergangenen fünf Jahren schon mal wegen ihres Glaubens benachteiligt oder geschmäht worden sein, gefolgt von Italien, wo 25 Prozent von solchen Erfahrungen im selben Zeitraum berichten. Am wenigsten Diskriminierung von muslimischen Minderheiten gibt es der Studie zufolge in Großbritannien.

In der Studie der FRA wurden neben den Ursachen der Diskriminierung von Muslimen auch nach den Situationen gefragt, in denen das Phänomen auftritt. Alltagsdiskriminierung sei demnach die häufigste Art der Diskriminierung, die Menschen muslimischen Glaubens in Europa in den letzten 12 Monaten erlebten. Gefolgt von Schwierigkeiten bei der Suche nach Arbeit, Diskriminierung am Arbeitsplatz selbst und Problemen bei der Wohnungssuche.

Gesondert untersucht wurden die Begegnungen muslimischer Bürger in der EU mit der Polizei. Durchschnittlich 32 Prozent der befragten Muslime in der EU wollen in den vergangenen fünf Jahren Opfer von sogenanntem „Racial Profiling“, also gezielten Polizeikontrollen von ethnischen Minderheiten, gewesen sein. Auch hier ist der Wert der befragten Schwarzafrikaner in Deutschland, die sich beklagten, mit 47 Prozent deutlich über dem Durchschnitt. Die Polizei in Griechenland hat es offenbar auf Personen aus Südasien abgesehen, 89 Prozent aus dieser Bevölkerungsgruppe berichtet von Erfahrungen mit dem rechtlich umstrittenen Vorgehen der Polizei zur Kriminalitätsbekämpfung.

70 000 Muslime in der Landeshauptstadt

Auch wenn es innerhalb der EU große Unterschiede bei der Frage gibt, wie gut sich Muslime in der jeweiligen Gesellschaft integriert fühlen, zeichnen die Macher der Studie insgesamt ein positives Bild. Die überwiegende Mehrheit der Muslime in der Europäischen Union habe großes Vertrauen in die demokratischen Institutionen, auch wenn sie weit verbreitete Diskriminierungen und Belästigungen erfahren würden. „Es wäre vollkommen lächerlich zu behaupten, Muslime wären in unseren Gesellschaften nicht integriert. Denn das Gegenteil ist der Fall: Wir stellen fest, dass ihr Vertrauen in die demokratischen Institutionen größer ist als bei weiten Teilen der Allgemeinbevölkerung“, sagt FRA-Direktor Michael O’Flaherty. 76 Prozent der muslimischen Befragten hätten außerdem ein starkes Zugehörigkeitsgefühl zu dem Land, in dem sie leben.

Das scheint auch auf Stuttgart zuzutreffen. „Mich überrascht das Ergebnis der Studie nicht“, sagt Gari Pavkovic, der Leiter der Abteilung Integrationspolitik bei der Stadt Stuttgart. Die meisten Muslime, die in Stuttgart lebten, seien vielfältig mit Deutschland verbunden, am Arbeitsplatz, in Schulen, in Sportvereinen, in der Nachbarschaft. In der Landeshauptstadt leben etwa 70 000 Muslime, zehn bis 20 Prozent, schätzen Insider, würden regelmäßig die rund zwei Dutzend Moscheen besuchen. Auf einer Moscheesuche-Internetseite ist von rund 5300 Besuchern des Freitagsgebets die Rede.

Auch die muslimische Gemeinschaft in Stuttgart bestätigt den Eindruck, den die EU-weite Studie vermittelt. „Wir sind froh, in einem demokratischen Staat zu leben, und stehen zu Deutschland“, sagt Ismail Cakir von der Feuerbacher Ditib-Moschee der türkisch-islamischen Gemeinde. „Wir haben großes Vertrauen in den Rechtsstaat“, ergänzt er. Und das trotz der Diskriminierungen, die Muslime auch in Deutschland erfahren.