Flüchtlinge im griechischen Idomeni protestieren gegen die Politik der EU. Foto: AP

Die EU stoppt den Pakt mit der Türkei, denn Athen hinkt mit dem Erlass der notwendigen Gesetze hinterher. Vor Ort fehlen außerdem Tausende Experten für Asylfragen.

Brüssel - Der Zeitplan zur Bewältigung der Flüchtlingskrise gerät wieder einmal aus dem Takt. Ab kommenden Montag sollten Zuwanderer, die aus der Türkei in Richtung Griechenland fliehen, eigentlich wieder zurückgeführt werden. Doch aus dieser Zusage, die die EU-Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfeltreffen vor zehn Tagen mit der Türkei ausgehandelt hatten, wird wohl nichts. Von den zugesagten 6000 Beamten aus Justiz, Polizei und Asylbehörden der Mitgliedstaaten sind bisher nur eine Handvoll in Hellas eingetroffen.

Die Athener Regierung habe es versäumt, hieß es in Brüssel, rechtzeitig die notwendigen Gesetze zu erlassen. Diese betreffen nicht nur die rechtlichen Befugnisse der Juristen, sondern auch die Anerkennung der Türkei als sicherer Drittstaat. Ohne diesen Akt ist eine Rückführung laut internationalem Völkerrecht gar nicht möglich. Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras hatte sich schon vor Wochen bereiterklärt, diesen Schritt zu vollziehen. Dabei blieb es.

Die Einzelfallprüfung gehört zu den Säulen des EU-Türkei-Pakts

Erst vor wenigen Tagen warnte die Europäische Asyl-Agentur (EASO) die Führungen der EU-Staaten vor den absehbaren Problemen. Behörden-Chef José Carreira schrieb am 24. März in einer Mail an die Mitgliedstaaten: „Das neue Asylgesetz, das unter anderem die neue Berufungsbehörde schaffen sollte, ist gegenwärtig noch unter Prüfung der griechischen Gesetzgeber. Bis der neue Rechtsrahmen vorhanden ist, wird es nicht möglich sein, mit den Einsätzen der Gerichte zu beginnen.“

Es geht dabei vor allem um jene zunächst 30 und später deutlich mehr Richter, die die Berufungsverfahren durchführen werden. Während Fachbeamte die Anträge der Flüchtlinge bearbeiten und entscheiden, müssen die Juristen Widersprüche beurteilen. Diese Einzelfallprüfung gehört zu den Säulen des EU-Türkei-Pakts, nachdem sich herausgestellt hatte, dass eine pauschale Rückführung aller Ankommenden vom Hochkommissar für Flüchtlingsfragen (UNHCR) der Vereinten Nationen als „illegal“ bezeichnet worden war.

Die Verärgerung in Brüssel sowie den Hauptstädten der EU ist offenbar groß. Mehrere Justizminister beantworteten die Mitteilung der EASO mit scharfen Rügen an die Agentur selbst. Und auch aus den Reihen der Staatenlenker wurden Zweifel laut, „ob Athen eigentlich wirklich will“.

Athen braucht mehr Zeit

Tatsächlich hat sich die griechische Verwaltung deutlich mehr Zeit mit der Vorlage der notwendigen Gesetze gelassen, als dies in Brüssel vereinbart worden war. Erst am Dienstag begann das Parlament in Athen mit einer ersten Debatte. Dabei vergrößert das Zögern nur die eigenen Probleme. Derzeit halten sich 50 000 Flüchtlinge auf griechischem Boden auf – die meisten unter katastrophalen Bedingungen wie am geschlossenen Grenzübergang Idomeni.

Obwohl der EU-Türkei-Pakt wegen dieser Probleme noch nicht wirken kann, sehen sich die Grenzschützer bereits mit neuen Schwierigkeiten konfrontiert. Der Flüchtlingsstrom verlagere sich auf andere Routen, hieß es in Rom. Allein am Dienstag rettete die italienische Küstenwache 1400 Menschen, die mit Schlauchbooten über das Mittelmeer kamen. Die meisten stammten aus Eritrea, Somalia und Nigeria. Doch in Brüssel befürchtet man, dass künftig auch syrische Flüchtlinge verstärkt versuchen könnten, über Libyen nach Europa zu gelangen, wenn sowohl die Balkan- als auch die Türkei-Griechenland-Route dicht sind.