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Über die gemeinsame Antwort der EU auf die Corona-Krise ist schon viel gestritten worden. Nun sollen beim Gipfel Kompromisse ausgelotet werden. Reine Corona-Bonds sind wohl vom Tisch. Die Kanzlerin setzt auf andere Mittel.

Berlin/Brüssel - Keine Corona-Bonds, aber höhere Beiträge für die Europäische Union: Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich vor dem EU-Gipfel für ein europäisches Konjunkturprogramm in den nächsten beiden Jahren ausgesprochen und den in der Pandemie besonders hart getroffenen EU-Ländern Hilfe zugesagt. „Europa ist nicht Europa, wenn es nicht füreinander einsteht in Zeiten unverschuldeter Not“, sagte die Kanzlerin am Donnerstag im Bundestag.

Wirtschaftshilfen in der Corona-Krise sind ein zentrales Thema des Videogipfels am Nachmittag (ab 15.00 Uhr). Die EU-Staats- und Regierungschefs wollen ein bereits vereinbartes Paket mit Kredithilfen von bis zu 540 Milliarden Euro für Kurzarbeiter, Unternehmen und verschuldete Staaten freigeben.

Corona-Bonds sind wohl nicht vorgesehen

Darüber hinaus geht es um einen Wiederaufbaufonds, dessen Umfang und Finanzierung aber offen sind. Streitpunkt ist unter anderem die Aufnahme gemeinsamer Schulden über sogenannte Corona-Bonds. Der Fonds soll im Zusammenhang mit dem nächsten siebenjährigen EU-Haushalt gegründet werden, der ebenfalls umstritten ist. Im Februar waren die Verhandlungen darüber gescheitert, jetzt soll neu angesetzt werden. Eine Lösung wird vom Gipfel noch nicht erwartet.

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EU-Ratschef Charles Michel twitterte, für die Erholung der Wirtschaft nach der Corona-Krise würden „beispiellose Investitionen“ im Rahmen eines europäischen Marshall-Plans nötig. Die Instrumente dafür seien der EU-Haushalt und die Europäische Investitionsbank EIB. Die Investitionen sollten in den grünen und digitalen Wandel der Wirtschaft fließen.

Bis zu 1500 Milliarden Euro Hilfe

Für den Umfang des Wiederaufbauprogramms werden Summen zwischen 500 und 1500 Milliarden Euro genannt. Wie groß es tatsächlich ausfällt und wie die Details aussehen, wird nach Merkels Worten beim Gipfel noch nicht Thema. Michel will vielmehr vorschlagen, die EU-Kommission mit der Ausarbeitung eines detaillierten Plans zu beauftragen.

Schon jetzt stellte die Bundeskanzlerin deutlich mehr Geld für Brüssel in Aussicht. „Wir sollten bereit sein, im Geiste der Solidarität über einen begrenzten Zeitraum hinweg ganz andere, das heißt deutlich höhere Beiträge zum europäischen Haushalt zu leisten“, sagte Merkel. „Denn wir wollen, dass alle Mitgliedstaaten in der Europäischen Union sich wirtschaftlich wieder erholen können.“ Deutschland zahlte 2018 netto 13,4 Milliarden Euro an die EU. Das bedeutet, es zahlte 13,4 Milliarden mehr ein als es über EU-Programme aus Brüssel zurückbekam.

Die Aufnahme von Gemeinschaftsschulden mit gemeinsamer Haftung lehnte die CDU-Politikerin mit dem Argument ab, es würde zu lange dauern. Dafür müssten alle Parlamente der Mitgliedstaaten entscheiden, dass ein Teil der Budgethoheit an die EU übertragen werde.

Es braucht jetzt schnelle Hilfe

„Das wäre ein zeitraubender und schwieriger Prozess und keiner, der in der aktuellen Lage direkt helfen könnte“, sagte die CDU-Politikerin. „Es geht jetzt darum, schnell zu helfen und schnell Instrumente in der Hand zu haben, die die Folgen der Krise lindern können.“

Die EU-Staaten streiten seit Wochen über sogenannte Corona-Bonds oder andere Anleihe-Formen. Länder wie Frankreich, Italien und Spanien - die besonders hart von der Pandemie getroffen wurden - fordern gemeinsame Schulden für den Wiederaufbau. Deutschland, die Niederlande und andere Staaten lehnen eine gemeinsame Haftung jedoch ab. In den vergangenen Tagen hatten Frankreich, Spanien, Italien und die EU-Kommission Kompromissmodelle in Umlauf gebracht, die vor allem die gemeinsame Haftung begrenzen würden. Auch die italienische Regierung beharrt nun nicht mehr auf Corona-Bonds in Reinform.

Merkel rief die EU auch dazu auf, die Krise für eine Grundsatzdebatte über eine engere Zusammenarbeit und zusätzliche Kompetenzen für Europa zu nutzen. Sie sehe Möglichkeiten für eine Vertiefung der europäischen Zusammenarbeit nicht nur bei Finanzen, Digitalem und Binnenmarkt, sondern auch bei Migration, Rechtsstaatlichkeit, Klimaschutz und in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik.