Spitzenpolitiker wie Ministerpräsident Markus Söder könnten in Haft genommen, um ein Urteil zum Fahrverbot umzusetzen – dies sei aber das allerletzte Mittel, sagen EU-Richter. Foto: dpa/Peter Kneffel

Der Streit um ein gerichtlich verfügtes, von der Bayerischen Landesregierung für München aber nicht umgesetztes Fahrverbot, ist eine entscheidende Runde weiter.

Stuttgart - Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, dass verantwortliche Politiker in Haft genommen werden können, um sie dazu anzuhalten, Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität (wie ein Verkehrsverbot) zu treffen. Konkret geht es in dem Rechtsstreit, den die Deutsche Umwelthilfe (DUH) führt, um ein Fahrverbot in München. Die Landesregierung weigert sich, dieses umzusetzen. Die DUH fordert Beugehaft.

Der Gerichtshof schränkt die Haftmöglichkeit in seinem Urteil allerdings deutlich ein. Bei einer „beharrlichen Weigerung einer nationalen Behörde“ sei sie möglich, dazu müsse aber im nationalen Recht eine „hinreichend zugängliche, präzise und in ihrer Anwendung vorhersehbare Rechtsgrundlage“ gegeben sein, außerdem müsse diese Zwangsmaßnahme verhältnismäßig sein. Ob es eine Rechtsgrundlage gibt, soll der Bayerische Verwaltungsgerichtshof prüfen.

Recht auf effektiven Rechtsschutz

Das Recht auf einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz müsse gewahrt werden, schreiben die Richter im Urteil. Dieses Recht (auf saubere Luft) sei „umso bedeutsamer, als das Unterbleiben der von der Richtlinie vorgegebenen Maßnahmen die Gesundheit von Personen gefährden würde“. Nationale Rechtsvorschriften, die zu einer Situation führten, in der das Urteil (in diesem Fall zum Fahrverbot) eines Gerichts wirkungslos bleibe, verletzen den Wesensgehalt dieses Rechts und nähmen ihm jede praktische Wirksamkeit.

Die Luxemburger Richter verweisen allerdings auch darauf, dass die EU-Charta das Recht auf Freiheit garantiere. Daher müssten beide Grundrechte abgewogen werden, und es müsse eine Rechtsvorschrift geben, die es einem Gericht gestatte, einer Person ihre Freiheit zu entziehen. Die Richter verweisen darauf, dass es „weniger einschneidende Maßnahmen“ geben könne, die, zum Ziel führe, und die dann auch vor einer Zwangshaft angewendet werden müsse. Als Beispiel werden mehrere hohe Geldbußen in kurzen Zeitabständen genannt, „die nicht dem Landeshaushalt zufließen“. Auch dies habe der Bayerische Verwaltungsgerichtshof nun zu prüfen. Die Zwangshaft sehen die Luxemburger Richter als allerletzte Möglichkeit.

DUH: Meilenstein für den Rechtsstaat

DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch kommentierte die Entscheidung so: „Heute ist ein guter Tag für den Rechtsstaat und für die Saubere Luft in München, in Stuttgart und in anderen Städten“. Deutsche Gerichte müssten nun prüfen, „wie das System der Verwaltungsvollstreckung fortentwickelt werden kann“. DUH-Anwalt Remo Klinger sagte, das Urteil sei ein Meilenstein für den deutschen Rechtsstaat. Es zeige den Weg zu einer effektiven Vollstreckung gegenüber Staatsbediensteten auf, „die denken, über dem Recht zu stehen“. Ein Staat, in dem sich nur der Bürger an Gerichte zu halten habe, „Politiker und Beamte aber beliebig entscheiden können, ob sie Urteile befolgen, ist kein Rechtsstaat.“