Zunächst ist nur eine Teilsanierung der Schelztorhalle geplant. Foto: Ines Rudel

Die Sanierung der Esslinger Schelztorhalle entpuppt sich als Spagat zwischen sehr unterschiedlichen Interessen. Dem Gemeinderat geht die Haltung der Denkmalschützer zu weit.

Esslingen - Urich Fehrlen, in Personalunion FDP-Stadtrat und Vorsitzender des Sportverbands Esslingen, versteht die Welt nicht mehr: „Wenn die Brühe an den Urinalen herunterläuft, kann das doch nicht denkmalgeschützt sein.“ Und sein CDU-Kollege Enrico Bertazzoni fordert die Esslinger Stadtverwaltung unmissverständlich auf zu prüfen, ob man gegen das Landesdenkmalamt nicht juristisch vorgehen könne, damit man „das Ding endlich platt machen kann“.

Hoch emotional haben einige Stadträte in der Sitzung des Esslinger Sportausschusses auf den Bericht von Oliver Wannek, dem Leiter des Eigenbetriebs Städtische Gebäude Esslingen (SGE), reagiert. Es geht um die dringend notwendigen Sanierungsmaßnahmen der vom Georgii-Gymnasium und der Waisenhofschule sowie vor allem von Handballvereinen genutzten innerstädtischen Schelztorhalle. Bekanntlich ist diese seit Jahren in einem erbärmlichen Zustand. Den Plänen, die Halle durch einen Neubau zu ersetzen, war das Landesdenkmalamt zuvorgekommen und hatte das Gebäude aus den 1950er- Jahren unter Denkmalschutz gestellt.

Braunes Wasser fließt aus den Duschen

Neben der Tatsache, dass sich der Sanitärbereich in einem katastrophalen Zustand befindet, braunes Wasser aus den Duschen fließt und die Toiletten und Urinale immer wieder verstopft sind, war im Herbst 2019 das Problem hinzugekommen, dass mehrere Akustikplatten beschädigt waren und von der Decke zu stürzen drohten. Die SGE hatte daraufhin sämtliche Akustikplatten aus Sicherheitsgründen demontiert. Das wiederum führte zu einer derartigen Lärmentwicklung, dass ein geordneter Sportunterricht in der Halle aktuell nicht möglich ist. Die Schüler des Georgii-Gymnasiums müssen seit dem 10. Februar zum Sportunterricht in die mehrere Kilometer entfernte Walter-Bauer-Halle im Sportpark Weil fahren.

Die Mitglieder des Sportausschuss hatten eigentlich von der Verwaltung einen Bericht erwartet, was geschehen soll, damit der Sportunterricht zeitnah wieder in die Schelztorhalle verlegt werden kann. Doch die Ausführungen von Oliver Wannek sorgte für Ernüchterung. Frühestens zu Beginn des neuen Schuljahres – und das auch nur, wenn bis dahin alle strittigen Fragen mit dem Denkmalschutz geklärt sind und Firmen gefunden werden, die die Sanierungsmaßnahmen zeitnah erledigen können – werde die Halle wieder für den Schulsport nutzbar sein.

Drahtglasscheiben sind ein Problem

Ein gewaltiger Hemmschuh, das machte Wannek deutlich, sind die Vorgaben des Denkmalamts, die nicht nur die Sanierung der sanitären Anlagen und den Einbau eines vernünftigen Lärmschutzes erschweren, sondern noch in einem ganz anderen Bereich für Probleme sorgen: Denn es ist vor allem die außergewöhnliche Dachkonstruktion mit dünnen, abgerundeten Betondachschalen, die dazu geführt hat, dass die Schelztorhalle als Kulturdenkmal ausgewiesen wurde. Licht fließt an den Stirnseiten der Dachrundungen durch so genannte Drahtglasscheiben in die Halle.

Bei einer Begehung mit der für den Versicherungsschutz zuständigen Unfallkasse Baden-Württemberg haben deren Vertreter bemängelt, dass dieses Drahtglas gemäß den gültigen Vorschriften keine ballwurfsichere Verglasung darstelle, was angesichts der Nutzung der Halle vor allem für den Handballsport ein unhaltbarer Zustand sei. Die Pläne, die Scheiben durch sicheres Verbundglas zu ersetzen, wurden vom Denkmalamt abgelehnt. Als Kompromiss schlug die Unfallkasse eine Ballwurfprüfung vor. Sollte das Glas 36 Bewürfen nach strengen Vorgaben standhalten, sei man bereit, weiterhin das Drahtglas zu akzeptieren.

Schon der erste Wurf war zu viel

Der Versuch musste allerdings schon nach dem ersten Wurf abgebrochen werden, weil die Scheiben zwar in ihrem Rahmen blieben, aber bereits da erste Risse zeigten. Nun hat die Stadt ein Netz horizontal unter der Dachkonstruktion gespannt. Es soll den Aufprall von Bällen auf die Drahtverglasung verhindern – oder wenigstens abmildern.

Auch bei der Sanierung der sanitären Anlagen redet das Denkmalamt mit. Zwar sei man einer Lösung des Problems nähergekommen, erzählte Wannek. Aber eine komplette Erneuerung komme nicht in Frage, weil der Denkmalschutz tatsächlich einige Urinale als schützenswert identifiziert habe.

Ähnlich kompliziert ist die Lösung des Akustik-Problems: Dabei spielt das Denkmalamt allerdings nur eine nachgeordnete Rolle. Tatsache ist, dass die Gelenke des Dachs, die Spannungen bei Temperaturschwankungen ausgleichen sollen, stark beschädigt sind. Nach den der Stadt bisher erst mündlich vorliegenden Ergebnissen der Materialprüfungsanstalt sind die Schalen für sich genommen noch tragfähig. Sie können aber keine zusätzlichen Lasten, also weder Schnee von außen, noch Akustikpaneele von innen verkraften. Deshalb möchte die Stadt nun die Hallenlängsseite, die Prallwände und die Stirnfläche über der Tribüne mit Dämmschutz verkleiden.

Allerdings hat auch hier das Landesamt für Denkmalpflege bereits Bedenken angemeldet. Die Diskussion ist noch nicht abgeschlossen. Bleibt als einzige Hoffnung der Hallenneubaubefürworter, dass die Dachlager vielleicht doch bald so zerstört sind, dass die Halle komplett gesperrt werden muss. Das könne jederzeit passieren, erklärte Oliver Wannek.