Rugiatu Neneh Turay erhält in Oktober den mit 10 000 Euro dotierten Theodor-Haecker-Preis der Stadt Esslingen. Foto: Terre des Femmes

Die SPD schlägt eine Umwidmung der Auszeichnung vor: Aus dem internationalen Menschenrechtspreis für politischen Mut und Aufrichtigkeit soll ein nationaler Preis für den Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus werden.

Esslingen - Der Theodor-Haecker-Preis für politischen Mut und Aufrichtigkeit – Internationaler Menschenrechtspreis der Stadt Esslingen am Neckar“ zählt mit 10 000 Euro Preisgeld zu den am höchsten dotierten Auszeichnungen seiner Art in Deutschland. Seit 1995 wird er – bis 2017 alle zwei Jahre, und in diesem Jahr erstmals erst nach drei Jahren – an eine Person oder Gruppe des öffentlichen Lebens vergeben, die sich in herausragender Weise um Menschenrechte, Demokratie, Freiheit, Frieden und Menschlichkeit bemühen.

Zuletzt hatte Esslingen 2015 die brasilianische Umweltaktivistin Laisa Santos Sampaio und 2017 Urmila Chaudhary aus Nepal, die sich für die Befreiung, Rechte und Bildung versklavter Mädchen einsetzt, geehrt. Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass 2020 Rugiatu Neneh Turay aus Sierra Leone für ihren Kampf gegen die in ihrer Heimat weiterhin legale weibliche Genitalverstümmelung ausgezeichnet wird.

Der letzte Festakt im Oktober?

Nicht auszuschließen ist, dass der für den 24. Oktober geplante Festakt im Kultur- und Kongresszentrum Neckar Forum der letzte sein wird, bei dem ein Haecker-Preis – zumindest in der bisherigen Form – verliehen wird. Denn in den Reihen der CDU, Freien Wähler und FDP häufen sich die Stimmen derjenigen, die der Meinung sind, dass der finanzielle Aufwand für den Menschenrechtspreis in keinem Verhältnis zu dessen Wirkung steht. Die in Esslingen immer wieder geäußerte Hoffnung, der Haecker-Preis möge eine ähnliche Strahlkraft wie der Aachener Friedenspreis entfalten, habe sich nicht erfüllt. Konkrete Vorschläge, ob es überhaupt eine Zukunft für den Preis geben soll und wie diese aussehen könnte, wollen die Freien Wähler, CDU und die FDP am Montag bei der zweiten Lesung des Doppelhaushalts 2020/2021 unterbreiten.

Derweil ist die Esslinger SPD mit einer eigenen Idee schon einmal vorgeprescht. Die SPD-Stadträte Nicolas Fink, Wolfgang Drexler und Richard Kramartschik beantragen, die Auszeichnung „zu einem Preis für das Eintreten gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus hierzulande weiterzuentwickeln. Die Preisträger sollen dementsprechend in der Regel aus Deutschland kommen“. Die SPD reagiere, so heißt es in einer Mitteilung der Partei, mit dem Vorstoß auf jene Überlegungen der bürgerlichen Parteien, auf den Haecker-Preis ganz zu verzichten. Das lehne die SPD „kategorisch“ ab.

Reaktion auf gesellschaftliche Entwicklung

Ein weiterer Grund sei die gesellschaftspolitische Entwicklung in Deutschland. Richard Kramartschik: „Mit der dramatischen Zunahme von Rassismus und Antisemitismus, politisch motivierten Morden, Anschlägen auf Synagogen, Angriffen auf Minderheiten, Hetze und verbaler Entgrenzung hat die Menschenverachtung in Deutschland eine negative Qualität erreicht, die so nicht hingenommen werden darf.“

Die Esslinger Grünen, so deren Fraktionschefin Carmen Tittel, lehnt den SPD-Vorstoß ab: „Wir haben sicher nichts gegen eine Erweiterung des Haecker-Preises, wollen aber nicht, dass er allein auf nationale Preisträger eingeschränkt wird.“ Auch die Stadtverwaltung warnt vor einer Veränderung der Grundidee. Der Haecker-Preis habe als ein wichtiger europäischer Menschenrechtspreis stets auch eine Schutzfunktion für die Ausgezeichneten in ihrer Heimat. Auf diesen Schutz leichtfertig und aus Kostengründen zu verzichten, sei das falsche Signal.