Die „Toilette für alle“ verfügt über einen Lift und eine verstellbare Liege. Foto: Ines Rudel

In Esslingen gibt es jetzt zwei Orte, wo Menschen mit Körper- und Schwerbehinderung im geschützten Raum Windeln gewechselt bekommen können.

Esslingen - Auf dem Fußboden einer öffentlichen Toilette, im Kofferraum des Autos oder hinter einem Busch – wenn Menschen mit schweren und mehrfachen Behinderungen außerhalb der eigenen vier Wände ihre Windeln wechseln wollten, musste das häufig unter widrigen Umständen geschehen. Zwei neue „Toiletten für alle“ lindern jetzt die Not – zumindest in Esslingen. Bezeichnenderweise sind die beiden mit einem blauen Signet gekennzeichneten Anlagen – eine ist in der öffentlichen Toilette vor dem Bahnhof eingebaut, die andere im Zentrum für Bürgerengagement Forum Esslingen in der Schelztorstraße 38 – die ersten ihrer Art im Landkreis.

Auch jenseits der Kreisgrenzen sind die mit Personenlifter, höhenverstellbarer Liege und luftdicht verschlossenem Windeleimer versehenen geräumigen Toiletten so selten zu finden, wie die Nadel im Heuhaufen. Angaben des Landesverbands für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung in Baden-Württemberg zufolge verfügt das Ludwigsburger Schloss über solch eine speziell ausgestattete Toilette. In der Stadt Stuttgart selbst gibt es eine Handvoll dieser Einrichtungen, darunter im baden-württembergischen Landtag, im Haus des Waldes und an der Landesmesse.

Die Alternative wäre, zu Hause zu bleiben

„Für die betroffenen Menschen und ihre Betreuer ist das eine große Erleichterung, im Bewusstsein der Öffentlichkeit dagegen ist das Thema noch nicht angekommen“, sagt Jutta Pagel-Steidl, die Geschäftsführerin des Landesverbands für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung. Die Stadt Esslingen habe die Zeichen der Zeit erkannt. Die Geschäftsführerin geht davon aus, dass allein in Baden-Württemberg rund 380 000 Menschen auf eine Möglichkeit des Windelwechselns im öffentlichen Raum angewiesen sein könnten. Nicht nur Menschen, die Windeln wechseln müssen, sondern auch Stoma-Träger und Menschen mit Kathedern könnten von der Einrichtung profitieren. „Die Wechselmöglichkeit ermöglicht den Betroffenen auch mal einen unbeschwerten Tagesausflug. Die Alternative wäre, zu Hause zu bleiben“, sagt Jutta Pagel-Steidl.

Mit der um der Verständlichkeit willen auf „Toilette für alle“ reduzierten Bezeichnung ist die Geschäftsführerin des Landesverbandes nicht ganz zufrieden, denn mit der großen Liege, dem Lift und dem unterfahrbaren Waschbecken ist die Toilette für alle genau auf die spezifischen Anforderungen all derer zugeschnitten, die eine Toilette für alle eben nicht nutzen können.

Für die Umrüstung gibt es einen 90-Prozent-Zuschuss vom Land

Zur Umrüstung der Toilette auf dem Bahnhofsplatz hat die Stadt zusätzlich zu der 12 000-Euro-Förderung durch das Sozialministerium noch 3500 Euro in die Hand genommen. Die Aufrüstung der Toilette im Forum Esslingen mit Lifter, Liege und Windeleimer hat 6000 Euro gekostet.

Von britischen Verhältnissen, wo der Einbau einer „Toilette für alle“ zum Baustandard in öffentlichen Gebäuden zählt, ist Deutschland weit entfernt. „Häufig wird unser Anliegen gar nicht wahrgenommen“, sagt Jutta Pagel-Steidl, die Geschäftsführerin des Landesverbands der Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung. So sei den Betroffenen ein Besuch der letztjährigen Landesgartenschau mangels Toilette unmöglich gemacht worden. Andererseits würde der Bedarf angesichts der steigenden Zahl hochbetagter Menschen ständig zunehmen.

Das Sozialministerium des Landes fördert den Bau einer „Toilette für alle“ mit einem Zuschuss von 90 Prozent, maximal aber mit 12 000 Euro. Das baden-württembergische Engagement gilt als bundesweit einmalig