Adrian Henrich kommt bei seinen Einsätzen ohne erhobenen Zeigefinger aus. Foto: Horst Rudel

Adrian Henrich klärt Fahranfänger in den Kreisen Esslingen und Göppingen über die Risiken von Alkohol auf. Das Präventionsprojekt „Peer“an Fahrschulen benötigt dringend mehr Freiwillige.

Esslingen/Göppingen - Kann man nach ein bis zwei Bier noch fahren? Diese Frage stellt Adrian Henrich bei seinen Einsätzen in Fahrschulen angehenden Autofahrern gleich zu Beginn der Stunde. Der gebürtige Ebersbächer wirkt seit fast acht Jahren im Präventionsprojekt „Peer“ der Landkreise Esslingen und Göppingen mit. Der 25-Jährige sensibilisiert junge Frauen und Männer für die Risiken, die sie in Kauf nehmen, wenn sie sich alkoholisiert oder unter Drogeneinfluss ans Steuer setzen. Er tut dies nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern als mehr oder weniger Gleichaltriger – eben als „Peer“ – auf Augenhöhe.

Schockbilder lassen Fahranfänger nachdenklich werden

Viele aus der Zielgruppe der 15- bis 25-Jährigen – die meisten machen den Auto-, manche auch den Rollerführerschein – beantworten die Eingangsfrage mit einem „Na klar!“ Aus Gruppenzwang sehen sich nicht selten Fahrschüler dazu verleitet, sich dieser Meinung anzuschließen. Adrian Henrich kommentiert die Antworten nicht. Im Ampelverfahren, vergleichbar der einstigen TV-Kinderquiz-Sendung „1, 2 oder 3“ ordnet der „Peer“ die Antworten den Farben rot, gelb und grün zu – ohne dass damit eine Wertung verbunden wäre. Die jungen Fahrer sollen nicht von oben herab belehrt werden, sondern selber auf den Trichter kommen, welche Gefahren im Straßenverkehr lauern.

Im nächsten Block konfrontiert Adrian Henrich die Fahrschüler mit Schockbildern. „Glaubt ihr, dass der Fahrer aus diesem Wrack lebend herausgekommen ist?“ Eher nicht, lautet die Antwort unisono. Ein anderes Foto zeigt ein auf dem Dach liegendes Auto. Hier glauben die meisten, dass der Fahrer überlebt haben könnte. Doch was ist mit dem Sägemehl auf der Verkehrsinsel, welches das Blut eines Fußgängers abdeckt, den der Fahrer über den Haufen gefahren hat? Da stellt sich dann in der Regel – „ratter, ratter, klick“ – Nachdenklichkeit und Betroffenheit in der Runde ein, so die Erfahrung von Adrian Henrich. Am Ende der Stunde beim Kapitel „Drink and come home“ notiert die Gruppe meist lebhaft diskutierend auf einem Flip-Chart, wie nach einem Ausgeh-Abend alle wieder wohlbehalten nach Hause kommen. Eltern oder Geschwister anrufen, Taxi oder ÖPNV oder aber einer oder eine erklärt sich im Vorfeld bereit, nüchtern zu bleiben und bekommt von den Mitfahrern im Gegenzug nicht-alkoholische Getränke bezahlt – das sind die gängigsten Vorschläge.

Junge Fahrer sind besonders häufig an Unfällen beteiligt

Das bundesweite Projekt, an dem sich in Baden-Württemberg nur die Kreise Göppingen und Esslingen beteiligen – gibt es nicht ohne Grund. Die Gruppe der jungen Fahrer hat einen Anteil von neun Prozent an allen Führerscheinbesitzern. Mit 21 Prozent sind sie jedoch überproportional häufig an Unfällen beteiligt, bei denen unter dem Einfluss von Alkohol oder Drogen Menschen zu Schaden kommen.

Adrian Henrich ist auf das „Peer“-Projekt aufmerksam geworden, als er seinen eigenen Führerschein auf dem Göppinger Landratsamt abgeholt hat. Damals bekam er einen Info-Flyer in die Hand und entschied sich zum Mitmachen. 20 Euro Aufwandsentschädigung pro Einsatz und eine Kilometerpauschale – das klang für ihn nicht schlecht. Weil ihm die Sache Spaß machte und er das Projekt für überaus sinnvoll hält, ist er dabeigeblieben – zusammen mit seinem Kumpel Kevin „Birdy“ Vogel aus Unterensingen, denn die „Peers“ gehen immer als Tandem in die Fahrschulen.

Die „Peers“ treten immer als Zweier-Teams auf

Drei bis vier Teams gibt es derzeit für die beiden Landkreise. Die Personaldecke ist damit ziemlich dünn. „Wir suchen händeringend nach Nachwuchs, ich bin mit meinem Alter inzwischen absolut am Limit“, sagt Adrian Henrich, der gerade in Vaihingen seinen Master im Technologiemanagement macht. Bald wird der 25-Jährige, der in Rottenburg bei Tübingen lebt, ins Berufsleben eintreten, und damit wird auch sein Engagement in dem „Peer“-Präventionsprojekt enden.