Viele junge Leute brechen ihr Studium ab und orientieren sich neu. Foto: dpa

Viele Studierende in Baden-Württemberg fühlen sich im Hörsaal fehl am Platz. Sie machen eine Ausbildung – das scheint ihnen gut zu bekommen.

Stuttgart - Die Studienabbrecher in Baden-Württemberg finden zum großen Teil eine Alternative, die sie zufriedenstellt. Das zeigt eine Studie des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW), die unserer Zeitung vorliegt.

Zweieinhalb Jahre nachdem sie im Jahr 2014 ihrem Studiengang den Rücken gekehrt haben, haben 95 Prozent der Abbrecher demnach eine Neuorientierung geschafft. Entweder sie machen eine Berufsausbildung oder sie studieren erneut. 85 Prozent von ihnen sind mit ihrer neuen Laufbahn sehr zufrieden.

Zwei von drei gehen in die Berufsausbildung

Beinahe zwei Drittel der früheren Studenten (63 Prozent) haben sich für eine Berufsausbildung entschieden. Dabei hat das Fach meist wenig mit dem früheren Studienfach zu tun. Viele wollen Bankkaufleute oder Krankenschwester und Pfleger werden. Gefragt sind auch IT-Berufe wie Fachinformatiker.

Ein Viertel hat die Ausbildung bereits abgeschlossen. Ein Prozent hat abgebrochen. Als attraktiv an der Ausbildung gelten der Praxisbezug und die intensive Betreuung, ebenso wie die Sicherheit des Arbeitsplatzes.

Die Bewerbungsphase dauerte meist nicht länger als drei Monate. Ein Viertel der Bewerber hatten zwei Stellenangebote, 14 Prozent noch mehr. Bei 29 Prozent reichte eine einzige Bewerbung, andererseits machten sich 23 Prozent der Studienabbrecher, die eine Stelle suchten, die Mühe, mehr als zehn Bewerbungen zu schreiben.

Mehr Unterstützung bei Berufswahl gewünscht

Allerdings wünschten sich ein Viertel der Betroffenen deutlich mehr Unterstützung bei der Berufswahl. Die Studie ergab, dass die Abbrecher schlecht über Beschäftigungs- und Fortbildungsmöglichkeiten bei einer beruflichen Ausbildung informiert sind. „Es ist davon auszugehen, dass die Entscheidungen gegen eine Berufsaubildung auf Basis unzureichender Informationen getroffen wurden“, schreiben die Forscher um Ulrich Heublein, Leiter der Abteilung Bildungsverläufe am DZHW. Das gelte zumindest für einen Teil der Studienabbrecher.

Bessere Berufsinformation für Gymnasiasten

Dagegen wollen Landeswissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) und Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) vorgehen. Die Berufsorientierung an den Gymnasien soll gezielt gestärkt werden. „Es wird mehr Besuche von Auszubildenden in der Mittelstufe geben“, kündigt Hoffmeister-Kraut an. In der Oberstufe sollen Auszubildende häufiger gemeinsam mit den Studienbotschaftern auftreten, um über eine Hochschulausbildung zu informieren.

Die wichtigste Informationsmöglichkeit bei der Neuorientierung ist laut Studie das Internet. Hoffmeister-Kraut will daher auf der Seite „www.gut-ausgebildet.de“ ein neues Angebot für „Studienzweifler“ einrichten. Dort sollen Ausbildungsberufe und Karrieremöglichkeiten in den Betrieben dargestellt werden. Heublein betont, dass Studienabbrecher „gezielte Auskünfte zu den von ihnen jeweils angestrebten Wegen“ benötigen.

Neues Studienfach bringt neue Zuversicht

Ein Viertel der Studienabbrecher beginnt ein neues Studium. Der Wechsel bewirkt bei vielen einen Motivationsschub. „In ihrem neuen Studium berücksichtigen sie die Erfahrungen ihres ersten Studiums und legen ein viel aktiveres Studienverhalten an den Tag“, sagt Wissenschaftsministerin Bauer. „Hochschulwechsler und Studienrückkehrer sind Studienoptimierer“, findet die Ministerin. Für ihren zweiten Anlauf sind die einstigen Abbrecher recht optimistisch. 94 Prozent von ihnen sind sicher, dass sie ihren Abschluss im neuen Fach schaffen werden.

Aber auch sie brauchen den Forschern zufolge eine bessere Beratung. „Jedem Zweiten“, so die Wissenschaftler „bereiten die aus seiner Sicht unüberschaubaren Möglichkeiten große Probleme“. Bauer will die Studieninformation verbessern und die Angebote im Portal www-studieren-in-bw.de ergänzen. Sie kündigt Filme mit grundlegenden Informationen zu den wichtigsten Studienfächern an. „Junge Menschen müssen wissen, welche Inhalte sie in ihrem Studienfach erwarten“, sagt Bauer.

Erste Studie ihrer Art

Baden-Württemberg ist das erste Bundesland, das untersuchen ließ, was aus Studienabbrechern wird. Bereits im vergangenen Jahr haben die Wissenschaftler um Ulrich Heublein eine Studie zu Studienabbrechern im Südwesten vorgelegt. Danach hängen 18 Prozent der Bachelorstudenten in den ersten Semestern ihr Studium an den Nagel. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 29 Prozent.