Noch sind die Stühle in den Hörsälen der Universitäten leer, aber zumindest für die Prüfungen werden sich manche von ihnen wieder füllen. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

In einem Brief an mehrere Ministerien fordern Studierende, eine Durchschnittsnote bisheriger Leistungen zu bilden. Das Kultusministerium hat Staatsexamen nun ab 11. Mai möglich gemacht.

Stuttgart - Fünf Wochen lang wusste Matthias Schwab nicht, wie es weiter geht. Am 17. März wurde seine erste mündliche Prüfungen zum Staatsexamen als Lehrer für Englisch, Politik und Geschichte abgesagt. Ein paar Tage später dann alle weiteren, die er an der Pädagogischen Hochschule (PH) Ludwigsburg ablegen sollte. „Seither hing ich in der Luft. Ich hatte keine Ahnung, ob, wie und wann die Prüfungen noch stattfinden würden“, sagt der 29-Jährige. Ebenso ging es tausenden anderen Lehramtsstudenten im Land. Nachfragen, die die Landesstudierendenvertretung ans Kultusministerium stellte, blieben unbeantwortet.

Bis zum vergangenen Freitagnachmittag. Dann nämlich verbreitete sich in den studentischen Facebook-Gruppen ein Schreiben des Ministeriums vom gleichen Nachmittag. Der Inhalt: Ab dem 11. Mai bis Ende Juli können die mündlichen Prüfungen zum ersten Staatsexamen an den Universitäten und Hochschulen des Landes wieder stattfinden, hochschulintern, ohne Prüfungsvorsitz der Kultusverwaltung. Wer sich bis zum 30. April dafür anmelde, könne teilnehmen, wer sich nicht melde, werde automatisch für die nächste Runde im Herbst vorgemerkt. Matthias Schwabs Hochschule, die PH Ludwigsburg, verschickte noch am selben Abend eine Information, dass es ab dem 18. Mai losgehe mit den Prüfungen.

555 Studierende haben den Brief unterschrieben

Für viele Studierende war die kurzfristige Mitteilung des Ministeriums ein Schock. „Wir haben uns in den letzten Wochen... im Stich gelassen gefühlt. Dieses Gefühl wurde durch die Nachricht vom Freitag... weiter verstärkt“, heißt es in einem Brief, den nun 555 Studierende von Universitäten und Hochschulen aus dem Land unter anderem an das Kultusministerium geschickt haben.

Auf 56 Seiten schildern die angehenden Lehrer verschiedener Schularten ihre Situation, formulieren Befürchtungen und Forderungen. Die Hauptsorge: „Grundlegende Voraussetzungen für die adäquate Examensvorbereitung sind gerade nicht gegeben.“ Unter anderem, weil Bibliotheken derzeit nur eingeschränkt und Arbeitsplätze in den Hochschulen gar nicht zur Verfügung stünden. Außerdem hätten viele finanzielle Probleme, weil Nebenjobmöglichkeiten wegfallen. Studierende mit Kindern hätten keine Betreuungsplätze, manch einer müsse hilfe- und pflegebedürftige Angehörige derzeit unterstützen. Auch die Möglichkeit, das Examen auf Herbst zu verschieben, kommt bei den Betroffenen nicht gut an. Keiner wisse, wie sich die Pandemie bis dahin entwickelt habe und ob dann überhaupt Prüfungen möglich seien.

Vorbild ist das Land Hessen

Die Studierenden fordern deshalb Wahlfreiheit für alle Prüflinge: Wer will, kann die mündlichen Prüfungen machen. Wer das nicht will oder kann, soll das Examen mit einer Durchschnittsnote abschließen können, die aus seinen bisher erbrachten Leistungen errechnet wird. Vorbild ist das Land Hessen, wo es diese Regelung bereits gibt. „Heranziehen könnte man die so genannten Modulnoten, die man braucht, um zum Examen zugelassen zu werden sowie die Note der schriftlichen Zulassungsarbeit“, erklärt Matthias Schwab, einer der Sprecher der Initiative. Die mündlichen Prüfungen machten ohnehin nur rund fünf Prozent der Abschlussnote aus.

Im Kultusministerium sieht man die Forderung nach einer Durchschnittsnote kritisch. So werde der „Grundsatz der Chancengleichheit“ nicht gewahrt, sagte eine Sprecherin auf Anfrage, weil manche Prüflinge zum Zeitpunkt des Lockdowns bereits Prüfungen absolviert hätten, andere nicht. Außerdem widerspreche solch ein Vorgehen den Beschlüssen der Kultusministerkonferenz. Die Sprecherin betont, dass das Ministerium verschiedenste Wünsche erreicht hätten. Dem haben man versucht zu entsprechen, indem man die Wahl lasse, Prüfungen jetzt oder im Herbst abzulegen.

Unis wollen Probleme der Studenten berücksichtigen

In den Universitäten und Hochschulen arbeitet man nun daran, die Prüfungen vor Ort umzusetzen und für Studierende mit Risikofaktoren etwa Videoformate zu ermöglichen. Einige, wie die Universität Freiburg, haben die Anmeldefrist auf 4. Mai verlängert. Alle befragten Hochschulen betonen, dass man sich der schwierigen Situation bewusst sei und versuche, den Studierenden in individuellen Absprachen entgegen zu kommen. Auch Probleme bei der Vorbereitung und Literaturbeschaffung sollen berücksichtigt werden, sagt etwa Hans-Herwig Geyer von der Uni Stuttgart „Die Prüfenden sind gebeten das bei der Leistungsbewertung zu berücksichtigen.“