Weltmeister Fritz Walter (li.) und Horst Eckel: Die Legende lebt dank der Hörfunkreportage von Herbert Zimmermann. Foto: dpa

Auf dem Ohr waren viele taub. Zum ersten Public Listening eines Fußballspiels in Stuttgart kam kaum jemand. Das wundert unseren Kolumnisten nicht; es wird so viel geredet über Sport wie noch nie. Offenbar übersteigt das Angebot mittlerweile die Aufnahmefähigkeit der Fans.

Stuttgart - - Schießt der FC Bayern gegen den VfB Stuttgart drei Tore, dann ist das unangenehm viel. Kommen drei Hörer zur Übertragung eines Fußballspiels, dann ist das unangenehm wenig. Dabei hatten sich die Strategen von Amazon Music das so schön ausgedacht. Sie übertragen das Spiel des VfB gegen Bayern am Samstagabend live auf dem Wilhelmsplatz in der Innenstadt. Nicht in bewegten Bildern, nein als Hörfunkreportage. Und nennen das Public Listening. Damit die Schwaben ganz bestimmt kommen, schenkt man ihnen die Getränke. Tja liebe Amis, so simpel ticken wir nicht. Als wir vorbeigeschaut haben, waren genau drei Hörer dort. Warum soll man als VfB-Fan freiwillig einer angekündigten Hinrichtung gegen die Bayern beiwohnen? Wenngleich der Ort gut gewählt war: Auf dem Wilhelmsplatz ging einst der Henker zu Werke.

Zu wenig Fans, zu großes Angebot

Natürlich hat Amazon Music nichts zu verschenken. Die Aktion sollte Werbung sein für das neue Angebot: Der Streamingdienst überträgt alle Bundesligaspiele live via Internet zum Hören. In Düsseldorf hat man vor einer Woche zum Public Listening gebeten, auch dort war der Resonanz überschaubar. Offenbar haben die Leute nicht gerade auf das neue Angebot gewartet. Womöglich sind es auch gar nicht so viele Menschen, die ihren Tagesablauf rund um ein Fußballspiel planen. Zudem ganz viele Geld mit dem Fan verdienen wollen. Sky soll er gucken, die „Sportschau“, „100 Prozent Bundesliga“ bei RTL Nitro; „Heute im Stadion“ beim SWR, „VfB live“ bei die Neue 107.7 hören, ungezählte Liveticker im Internet lesen. Und ach ja, ins Stadion gehen soll man auch noch

Selbst über Football wird geredet

Sport aus zweiter Hand ist ja gerade sehr gefragt. Man übt nicht mehr selbst den Leib, man schaut nicht mal mehr zu, nein, man hört zu, wie andere über Sport reden. Vor allem im Stuttgarter Theaterhaus pflegt man dieses Genre. Im Mai bereits hatte die Zeitschrift „Elf Freunde“ zum Saisonrückblick geladen: Da plauderten die alten Helden Karl Allgöwer und Thomas Hitzlsperger. Am 27. November zeigt Arnd Zeigler dort eine Bühnenausgabe seiner Fernsehsendung „Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs“. Der Journalist, Stadionsprecher bei Werder Bremen, sammelt Preziosen und Kurioses aus der Welt des Fußball. Und der American Footballer Patrick Esume ist am 27. September ebenfalls im Theaterhaus. Er trainiert die Französische Nationalmannschaft und moderiert auf Pro Sieben Maxx die Spiele der amerikanischen Football-Liga NFL. 1,6 Millionen schalten da ein, mitten in der Nacht. Vielleicht , weil die Bayern nicht mitspielen und man deshalb nicht weiß, wie’s ausgeht.

Der Pionier Bernhard Ernst ist kaum bekannt

Das Fußballhören hat eine lange Tradition in Deutschland, sogar eine längere als in England. Dort übertrug die BBC am 22. Januar 1927 erstmals live ein Fußballspiel im Radio, es war der Kick zwischen Arsenal London und Sheffield United. Zwei Jahre zuvor hatte der junge Enthusiast Bernhard Ernst für die Westdeutsche Funkstunde den 5:0-Auswärtssieg von Arminia Bielefeld bei Preußen Münster übertragen. Zwischendurch war seine Stimme allerdings weg, ein Techniker der Post hatte die Schaltung gekappt, weil er mit dem Gerede gar nichts anfangen konnte. 1928 wollte Ernst das erste Länderspiel live im Hörfunk übertragen. Doch weil beim Gastspiel der Holländer viel zu viele Zuschauer ohne Karten ins Düsseldorfer Rheinstadion drängten, kam er zu spät auf seinen Reporterplatz. Und staunte nicht schlecht: Dort saß schon ein Posttechniker und moderierte. Nicht der einzige Schlag, den ihm die Geschichte verpasste. 1954 moderierte er im Fernsehen den WM-Sieg Deutschlands gegen Ungarn. Doch Bild und Ton konnte man damals nicht aufzeichnen. So ist heute nur noch die Hörfunkreportage von Herbert Zimmermann im Gedächtnis