Locker in Jeans und Kapuzenpulli präsentiert sich Tim Bendzko bei windigem Wetter und leichtem Regen in Stuttgart – während sein Publikum ihm vom Auto aus zuhört. Foto: Lichtgut/Ferdinando Iannone

Der Deutschpop-Sänger Tim Bendzko hat am Freitag das erste Autokonzert auf dem umfunktionierten Gelände des Cannstatter Wasens gegeben. Eine kleine Weltpremiere hatte er für die über 1500 Besucher auch dabei. Doch das war noch nicht das Highlight des Abends.

Stuttgart - Schlange am Eingang zum Konzert? Na klar! Bier? Gab es auch. Eltern, die ihre Kinder zum Konzert begleiten? Check! Schlange vor den Toiletten kurz vor Beginn des Konzerts? Natürlich – aber mit Abstand. Alles war irgendwie wie immer und doch war alles anders beim ersten Autokonzert im Rahmen des Stuttgarter Kulturwasens.

„Jetzt bin ich ja hier“, heißt die Tour, mit der Tim Bendzko eigentlich in diesem Sommer auf eine ganz gewöhnliche Konzertreise gehen wollte. Mit derselben lockeren Einstellung, passend zum Slogan der verschobenen Tour, präsentiert sich der Musiker am Freitagabend und beginnt mit dem gleichnamigen Lied das Autokonzert auf dem Cannstatter Wasen. Im Publikum, bestehend aus gut 600 Fahrzeugen, sitzen viele Familien mit Kindern und junge Menschen. Hier und da sieht man Kinder auf dem Fahrersitz – um die beste Sicht zu ergattern. Zumindest für die Eltern ist diese Art von Konzert wohl weitaus komfortabler.

Exklusives Foto auf dem Weg zum Klo

Viele der mehr als 1500 Bendzko-Fans haben sich bemüht, mit ihren Autos kreativ auf sich aufmerksam zu machen: Riesige Herzen auf den Windschutzscheiben, aufgeblasene Plastikhandschuhe auf den Autodächern, die lautlos im Wind aneinanderklatschen, und unzählige Plakate. „So ein Konzert hat einen echten Vorteil für mich“, lässt Bendzko das Publikum wissen. Endlich könne er die einzelnen Leute richtig sehen. Und wo sonst ist es möglich, beim Toilettengang ein exklusives Foto vom Star zu machen, ihm zuzuwinken und: Tim Bendzko winkt zurück? Ein Autokonzert ist anders – aber eben nicht immer schlechter.

Das Hupen ersetzt hier zum Beispiel üblicherweise das Klatschen. Für Bendzko war das Konzert in Stuttgart jedoch das erste, bei dem er auch – dank spezieller App – digital beklatscht und bejubelt wurde. „Das ist richtig cool“, befand Bendzko – fast wie in echt. Trotzdem ertönten direkt nach dem ersten Lied bereits die ersten Hupen. Andere nutzen eine Kuhglocke oder ein Sirenenlicht, um auf sich aufmerksam zu machen. Und Warnblinker leuchteten rhythmisch auf, wenn auch nicht unbedingt immer ganz im Takt. Außerdem durften die Fenster während des Konzerts geöffnet bleiben – und so drangen auch nicht-digitaler Applaus und Jubelschreie zu Bendzko vor.

Bendzko singt Englisch und schreibt nackt

Nach ein paar Liedern kündigte Tim Bendzko dann eine Weltpremiere an: Er sei dabei, alle seine Lieder ins Englische zu übersetzen. Einen Vorgeschmack, wie sich das anhören könnte, gab er zusammen mit seiner Backgroundsängerin Peppa, mit der er den Song „Nur wegen dir“ halb auf Deutsch, halb auf Englisch sang: „Because of you“. Englische Unterstützung gab es dann auch von seinem zweiten Backgroundsänger Julian bei dem Lied „Freier Fall“. Julian, verriet Bendzko dem Publikum, helfe ihm manchmal auch beim Liederschreiben, beim romantischen „Für immer“ seien die beiden sogar gemeinsam nackt gewesen, behauptete Bendzko, der am liebsten den netten Jungen von nebenan spielt und gerne mal mit dem Schauspieler Matthias Schweighöfer verwechselt wird. Intimer wurde es an dem Abend jedenfalls nicht mehr.

Die Welt retten – aber nur mit Schutzmaske

Bis endlich sein großer Hit aus dem Jahr 2011 dran war, war die Show des Sängers ziemlich zurückhaltend gewesen. Doch bevor er „Nur noch kurz die Welt retten“ spielte, rief er: „Wenn ich euch retten soll, müsst ihr jetzt alle eure Schutzmasken anlegen!“ Und dann machte er sich tatsächlich bei den ersten Takten des Songs auf den Weg zu den parkenden Autos. Während er zwischen den Fahrzeugen sang, verteilte er aus einer Jutetasche Werbeartikel und machte Selfies. Und als das Lied vorbei war, fing er einfach von vorne an, um noch mehr jubelnde Fans glücklich machen zu können.

Ab da gab es kein Halten mehr – Lichthupe, Warnblinker, Kuhglocken, digitaler und analoger Jubel vermischten sich. Bendzko bedankte sich nach fast zwei Stunden auf der Bühne für einen unglaublichen Abend – trotz der Umstände.

Pop beim Kulturwasen

Die nächsten Popkonzerte auf dem Kulturwasen bestreiten Revolverheld (12. Juni), Sido (15. Juni), Die Füenf (19. Juni), Culcha Candela (2. Juli), SDP (4. Juli), Gentleman (10. Juli), Versengold (16. Juli) und Die Orsons (17. Juli).