Die Pfarrer Samuel Hartmann und Daniel Renz (rechts) am Altar. Foto: Werner Kuhnle

Mit dem Auto zum Gottesdienst fahren mag noch normal sein – aber dann auch im Heilixblechle sitzen bleiben wie im Autokino: Das war für die Gäste eine neue Erfahrung.

Pleidelsheim - Ordner in gelben Westen winken die Autofahrer herein. Ganz allmählich füllt sich der Park-und Mitfahrplatz an der Autobahnauffahrt von Pleidelsheim an diesem Morgen gegen 10  Uhr am Himmelfahrtstag. Gespannt sitzen die Besucher in den etwa 50 Autos und blicken zum Holzkreuz, das auf einem Pritschenwagen steht, der wiederum mit einem Klapptisch als Altar,  weißer Tischdecke und Topfpflanzen geschmückt ist.

Es ist der erste Versuch der beiden benachbarten evangelischen Kirchengemeinden Murr und Pleidelsheim, in Corona-Zeiten einen Autogottesdienst zu feiern. „Es ist gut, dass wir überhaupt mal wieder zusammenkommen – wir haben in letzter Zeit nur Gottesdienste im Internet verfolgt“, sagt Anna Kirsammer, die mit ihrem Mann Gerhard zum P+M-Parkplatz gefahren ist, der auch sonst immer an Christi Himmelfahrt für den Nachbarschaftsgottesdienst genutzt wird. Jetzt müssen die Teilnehmer allerdings im Auto bleiben.

Dann geht es los. Eine Abordnung der beiden Posaunenchöre spielt auf, wenig später begrüßt der Murrer Pfarrer Daniel Renz die Gäste. „Alle, die mich gut hören, bitte einmal kurz hupen.“ Der Soundcheck gelingt. Das Tonteam mit Michael Mössner und Jens Kreutzer hat offenbar ganze Arbeit geleistet. Singen sei wegen der Infektionsgefahr draußen verboten, im Auto aber erlaubt, erklärt Renz und weist auf die Liedblätter hin, die abfotografiert werden konnten. Überhaupt scheint der Seelsorger die unübersehbare Kluft zwischen ihm und den Menschen in den Blechkarossen überwinden zu wollen: Ein „Amen“, wie es im Gottesdienst öfter mal gesprochen wird, könne per Lichthupe artikuliert werden. „Dazu muss man die Zündung anmachen“, erklärt Renz noch schnell und stimmt ein Glockenkonzert an, indem er alle Teilnehmer auffordert, so lange auf die Hupe zu drücken, bis er seinen schwarzen Talar angezogen habe.

Wenig später leitet der Pfarrer ins Thema „Christi Himmelfahrt als Zwischenzeit zwischen Ostern und Pfingsten“ ein. So wie der P+M-Parkplatz mitten in einem Zwischenraum liege, gehe es auch den Menschen derzeit. „Man fühlt sich irgendwie dazwischen“, bestätigt Renz’ Pleidelsheimer Amtsbruder Samuel Hartmann im einleitenden Interview. Allen werde während der Corona-Pandemie viel abverlangt, und doch könne man sich auch für Wesentliches Zeit nehmen, weil einiger Termindruck weggefallen sei, sodass eine Stimmung „zwischen Alltag und Urlaub“ entstanden sei.

Wird wieder alles so wie früher? Oder liegt nach der Corona-Krise Neues vor uns? Diese Frage stellte Daniel Renz dann im Rahmen seiner Predigt, nachdem er den biblischen Text aus der Apostelgeschichte vorgelesen hatte. „Jesus schickte seine Jünger auch erst mal in Quarantäne“, sagt Renz, denn sie sollten Jerusalem nicht verlassen und im Gebet verharren. „Ihr Alltag ist sicherlich auch weitergegangen“, vermutet der Pfarrer und erinnert daran, dass es für sie kein Zurück mehr gab, denn ihr Vorbild Jesus von Nazareth, der in ihrem Beisein Kranke und Schwache geheilt hatte, sei verhaftet und hingerichtet worden. Dass es zum großen Pfingsterlebnis und der Kirchengründung komme, sei für die Jünger nicht absehbar gewesen. Und so dürften die Christen auch heute einer großen Hoffnung gewiss sein: „Gott schreibt seine Geschichte mit den Menschen weiter.“

Am Ende hatten wieder die Autos das Wort: Mit Scheibenwischern und Hupe durften die Gäste danken.