Erste Studienergebnisse zum Coronavirus machen auf die Lockerung der Corona-Auflagen. (Symbolfoto) Foto: dpa/Daniel Bockwoldt

Der Kreis Heinsberg gilt als Epizentrum der Coronavirus-Pandemie - und ist damit zum Studienobjekt geworden. Ein Forscherteam will dort exemplarisch herausfinden, wie man langsam zur Normalität zurückkehren kann. Nun gibt es erste Ergebnisse.

Düsseldorf - Forscher halten nach ersten Untersuchungen im besonders betroffenen Kreis Heinsberg eine beginnende Lockerung der strengen Coronavirus-Maßnahmen für möglich. Voraussetzung sei aber, dass zum Beispiel Hygiene- und andere Verhaltensregeln weiterhin strikt befolgt würden. „Wir haben gelernt, wie wir uns hygienisch richtig verhalten“, sagte der Virologe Hendrik Streeck am Donnerstag in Düsseldorf. Es sei möglich, „in eine Phase zwei“ einzutreten.

Der Wissenschaftler von der Universität Bonn untersucht zusammen mit weiteren Experten im Auftrag der Landesregierung, wie sich das Coronavirus im Kreis Heinsberg ausgebreitet hat. Im Blickpunkt ist vor allem die Gemeinde Gangelt, die als Epizentrum der Coronavirus-Pandemie gibt. In dem Ort hatten sich nach einer Karnevalssitzung Mitte Februar Hunderte Bürger mit dem neuartigen Virus infiziert.

Die Region hat damit bereits Entwicklungen durchgemacht, die in anderen Orten noch bevorstehen können. Das macht sie zu einem interessanten Studienobjekt. Auch flacht hier die Kurve der Infektionszahlen bereits ab. „Der Kreis Heinsberg ist an einer riesengroßen Katastrophe vorbei geschlittert“, sagte Landrat Stephan Pusch (CDU).

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Die Wissenschaftler, die seit rund zwei Wochen forschen, fanden heraus, dass bei 15 Prozent der untersuchten Bürger eine Corona-Infektion nachgewiesen werden konnte - teilweise mit milden Verläufen oder ganz ohne Symptome. Diese Menschen hätten eine Immunität entwickelt. Zum Vergleich: Am Tag, als die Studie gestartet wurde, waren im Kreis Heinsberg offiziell nur rund 1250 nachgewiesene Erkrankungen gezählt worden - bei rund 250 000 Einwohnern.

Sterbewahrscheinlichkeit liegt laut vorläufigen Zahlen bei 0,37 Prozent

Die Wahrscheinlichkeit, an der Krankheit zu sterben, lag den vorläufigen Zahlen zufolge bei 0,37 Prozent bezogen auf die Gesamtzahl der Infizierten. Die in Deutschland derzeit von der amerikanischen Johns Hopkins University berechnete entsprechende Rate betrage 1,98 Prozent und liege damit um das Fünffache höher, so die Forscher. Die Wissenschaftler unterstrichen aber, dass man deshalb nicht automatisch davon ausgehen könne, dass auch die Gesamtzahl der Infizierten in Deutschland fünfmal höher sei als angenommen. Für diese Abschätzung sei es noch zu früh.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sagte, die Studie sei ein weiterer Baustein für die Entscheidung über die Lockerung der Einschränkungen. Wie diese aussehe, werde in der kommenden Woche mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Ministerpräsidenten der Länder besprochen. „Die Wissenschaftler sagen uns nicht: Mach’ es so oder so“, sagte Laschet. „Sondern sie geben uns einen weiteren Baustein an die Hand.“

„Es wird nichts mehr sein wie vorher“

In einer Unterrichtung des Landtages zu den Zwischenergebnissen der Studie sprach sich Laschet wenig später dafür aus, das öffentliche Leben nach Ostern behutsam in eine „verantwortbare Normalität“ zurückzuführen. „Es wird nichts mehr sein wie vorher“, sagte er. „Aber es wird so viel wie möglich von unseren Freiheiten wieder entstehen - in neuer Rücksichtnahme, neuer Verantwortung und in Distanz.“

Der an der Studie beteiligte Hygiene-Professor Martin Exner hält es für möglich, auch Abiturprüfungen abzuhalten, sofern zum Beispiel Hygiene-Maßnahmen eingehalten werden. Anders schätzt er die Lage in Alten- und Pflegeheimen ein. Dort müsse weiterhin eine „restriktive Politik“ aufrechterhalten werden. Es sei „nicht auszuschließen, dass eine längere Zeit der Abstinenz zu den besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppen aufrechterhalten werden muss.“