Munterer Ballwechsel: Pressereferentin Milena Franziska Schäufele und Museumsleiterin Barbara Willert (rechts) an einem Kunstobjekt des Duos Boualam/Marstaller. Foto: Eibner-Pressefoto/Bürke

Das Museum Ritter in Waldenbuch präsentiert ab Sonntag zwei neue Ausstellungen. Neben der Präsentation „ Struktur und Wandel“ mit Arbeiten des Münchner Künstlers Peter Weber Struktur beleuchtet eine weitere Schau die Schnittstelle von Spiel und Kunst.

Das Museum Ritter präsentiert ab dem Sonntag im Obergeschoss das umfangreiche Œuvre des Künstlers Peter Weber (Jahrgang 1944), der für seine komplexen Faltungen in Materialien wie Papier, Leinwand, Filz, Kunststoff und Edelstahl bekannt ist. Zu sehen sind über 70 Arbeiten von den späten 1960er-Jahren bis heute. Neben zahlreichen Faltungen wird auch das wenig bekannte Frühwerk des Künstlers, das in der Tradition von Op-Art und Kinetik steht, vorgestellt. Parallel dazu ist im Erdgeschoss eine teils interaktive Ausstellung zu sehen, die an der Schnittstelle von Spiel und Kunst sowohl gestalterischen Aspekten als auch den schöpferischen Kräften von Spiel und Spaß nachgeht.

Faltungen in Filz sind sein Markenzeichen

Nachdem Peter Weber zunächst als konstruktiver Maler sowie als Lehrender und Musiker aktiv war, ist das Falten seit rund 30 Jahren das einzige Ausdrucks- und Gestaltungsmittel seiner Kunst. Rund 1800 geometrische Falt-Strukturen hat er mittlerweile geschaffen: zunächst in Papier und Leinwand, dann auch in Materialien wie Aquarellkarton, Kunststoff und Stahl.

Durch den Faltvorgang wird die Fläche in vielschichtige Struktur verwandelt

Zu Peter Webers Markenzeichen sind vor allem aber seine Faltungen in Filz geworden, die seit 2001 entstehen. Mit ihnen nimmt er in der Szene der konkreten Kunst eine Sonderstellung ein. Die Faltungen sind das Ergebnis einer experimentell entwickelten Arbeitsweise, gepaart mit einer grandiosen Vorstellungsgabe. Sie basieren auf präzise kalkulierten Konstruktionen, die der Künstler zunächst in Papiermodellen erprobt, bevor er sie im gewünschten Material ausführt. Durch den Faltvorgang wird die plane Fläche des Werkstoffs in eine – im wahrsten Wortsinn – vielschichtige Struktur verwandelt. Dies geschieht grundsätzlich ohne Schnitte durch das Material. Auf diese Weise entstehen Bildobjekte, die nicht nur sinnlich-ästhetisch faszinieren, sondern auch, weil ihre Genese für die staunend Schauenden rätselhaft erscheint.

Ausstellung beleuchtet Vielfalt

Die Ausstellung beleuchtet die Vielfalt von Peter Webers Faltungen und präsentiert neben Einzelwerken auch mehrteilige Zyklen sowie Stahlplastiken und -reliefs, die „offene Faltzustände“ zeigen. Darüber hinaus stellt die Schau das weniger bekannte Frühwerk des Münchner Künstlers vor, das er ab seiner Studienzeit um 1970 herum in der Tradition von Op-Art und Kinetik entwickelte. Zu sehen sind sowohl systematisch gestaltete Reliefs als auch flimmernde Bildobjekte mit Riffelglas sowie gemalte Interferenzen mit illusionistischer Raumwirkung, die auf einer programmierten Gestaltung von sich überlagernden Linienrastern beruhen. So gibt die Schau einen guten Einblick in Peter Webers umfangreiches Schaffenssammlung, die Werkgruppen in verschiedenen Medien und Techniken umfasst. Zur Ausstellung erscheint ein Katalog im Heidelberger Verlag Das Wunderhorn erschienen (Preis: 17 Euro).

Kartonwürfel müssen vom Besucher neu arrangiert werden

Anfassen, umschichten, neuordnen? Was man normalerweise im Museum tunlichst unterlässt, ist hier erlaubt, zumindest bei einem Teil der Exponate. Diese sprechen den Aktions- und Gestaltungswillen des Gegenübers an und dürfen berührt, benutzt und verändert werden. So kommt das konstruktive Potenzial von Jeppe Heins Installation „Intervention Impact“ (2004) erst dann zum Tragen, wenn die weißen Kartonwürfel wie überdimensionierte Bauklötze verwendet und immer wieder neu arrangiert werden.

Spielerisches Handeln und körperlicher Einsatz gehören bei der Arbeit Play (2016), einer geometrisch bemalten Tischtennisplatte des Künstlerduos Oliver-Selim Boualam & Lukas Marstaller (BNAG), ebenso zum Konzept wie bei Jacob Dahlgrens „The Wonderful World of Abstraction“ (2015), einem Kubus aus Seidensatinbändern, worin man eintauchen und sich verstecken kann.

Kunst mit Legosteinen

Neben den Werken mit ausgesprochen physischen Komponenten sind in der Ausstellung Arbeiten zu sehen, die nicht auf das Mitwirken des Publikums hin angelegt sind. Bekannte Spiele werden darin umgedeutet und in Kunst verwandelt, die neben ästhetischen Fragen auch kulturelle und soziologische Phänomene reflektiert. Während in Ingeborg Lüschers „Video Fusion“ (1999/2001) das Fußballspiel zur Parabel der männlich geprägten Managerkultur wird, hebt Gerold Tagwerkers teilverspiegelte Arbeit „construct_unfinished“ (2007/08), die einem überdimensionierten Steckspiel nachempfunden ist, auf die optische Verschmelzung von Werk und Umraum ab.

Jessica Centner hingegen kombiniert in „Texas ist der Grund“ (2005/06) Legosteine mit gleichfarbigen Sockeln zu monochromen minimalistischen Farbstelen. Der allseitig mit sechs Augen markierte „Glückswürfel“ (1965/2019) von Timm Ulrichs lädt schließlich zum gedanklichen Experiment ein, zum Begreifen der Absurdität des garantierten Glückfalls angesichts des vorhersehbaren Ergebnisses.

Öffnungszeiten Beide Ausstellungen sind bis zum 18. September dienstags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr zu sehen. Weitere Infos unter www.museum-ritter.de im Internet.