Dieses Bild ist zurzeit ein bekanntes: Äpfel über Äpfel, oft verfault. Foto: dpa

Die einen ersaufen zurzeit in Früchten, die anderen würden sie gern ernten. Wir erklären, wie sich beide Seiten finden und sich helfen. Beispiele von der Filderebene.

Filder - Die Äste auf den Streuobstwiesen biegen sich; manche sind auch schon abgebrochen. Obst gibt es in diesem Jahr in Hülle und Fülle; die Bauern und Baumbesitzer rechnen fest mit einer Rekordernte 2018. Der Frühling war warm, Frost gab es wenig. Dass dies ideale Bedingungen fürs Streuobst waren, kann zurzeit jeder begutachten, der draußen unterwegs ist. Und er sieht noch etwas anderes: ein Meer an Äpfeln, Mirabellen und Zwetschgen auf dem Boden.

Bei all dem Fallobst, das vor sich hin fault, stellt sich so mancher Spaziergänger die Frage: Muss das sein? Gibt es keinen, der sich über die Birnen und Mirabellen freuen würde? „Zahlreiche Äpfel, die nie die Chance bekamen, ein leckerer Apfelkuchen zu werde“, schreibt eine Frau auf der Filder-Pinnwand, einem Forum auf Facebook für die Gegend. „Lebensmittelverschwendung gehört sich einfach nicht, aber wie haben wir in den 80ern schon gesagt? Die Menschheit geht mit der Erde um, als hätte sie noch eine zweite im Kofferraum!“, kommentiert jemand anderes.

Er hat es nicht auf die Reihe bekommen

Das sieht Andreas Heimerdinger aus Bonlanden ganz genauso. Ihm gehört fast ein Dutzend Bäume mit Birnen, Äpfeln und Zwetschgen. Bisher hat er es geschafft, im Spätsommer seinen Alltag und die Obsternte unter einen Hut zu bekommen. „Aber in diesem Jahr habe ich es beruflich nicht auf die Reihe gekriegt“, sagt der 57-Jährige. Die Bäume waren schlicht zu voll.

Aber sein Obst vergammeln zu lassen, kam für Andreas Heimerdinger nicht in Frage. „Es gibt genügend Länder auf der Welt, in denen die Menschen verhungern“, sagt er. Er sei damit aufgewachsen, sich ums Obst zu kümmern. „Ich mache das grundsätzlich ja auch sehr gern.“ Aber diesmal wäre er nicht hinterhergekommen bei den Massen. Deshalb hat sich Andreas Heimerdinger bei der Stadt Filderstadt mit gelben Markierungsbändern eingedeckt und sie um die Stämme geknotet. Sie signalisieren: Hier darf sich jeder nach Lust und Laune bedienen.

Gut für spontane Obsthamsterer

Nach den Worten der Filderstädter Umweltreferentin Simone Schwiete sind in diesem Jahr bisher etwa 30 solcher gelben Bänder ausgegeben worden. Sie sieht darin eine gute Möglichkeit für die spontane Obsthamsterei. Die Bänder sind kein Filderstädter Alleinstellungsmerkmal. Auch die Stadt Leinfelden-Echterdinger gibt sie aus. Bei einer Gesamtfläche von 250 Hektar Streuobstwiesen in Filderstadt – das entspricht umgerechnet 350 Fußballfeldern – wirken die 30 verteilten Bänder allerdings eher wie Nadeln im Heuhaufen. Wer wie Andreas Heimerdinger sicher gehen will, dass sein Obst auch wirklich in dankbaren Händen landet, für den gibt es in Filderstadt zudem die Obstbörse des Netzwerks Streuobstwiesen. Aktuell stünden zehn Bietende 20 Suchenden gegenüber, sagt die Umweltreferentin.

Er will nicht ohne seinen Most leben

Bei Andreas Heimerdinger hat es gut geklappt, er ist sein Obst komplett losgeworden. Was er für sich braucht, hat er gepflückt. Der überwiegende Rest macht nun andere glücklich. Diese anderen sind vor allem Anneliese und Fritz Frank aus Stuttgart-Möhringen. An diesem Montagmorgen sind sie zum zweiten Mal auf die Wiese bei Bonlanden gekommen, um die Mostäpfel abzuschütteln und einzuladen.

Das Ehepaar hat zwar selbst eine Apfelwiese bei Althengstett, erzählt Fritz Frank. Aber anders als Andreas Heimerdinger hatten die Möhringer dieses Jahr Pech. Ein Schädling hat ihnen die Ernte vermiest. „Da hingen noch vier Äpfel“, erzählt Fritz Frank. Und weil er ohne seinen Most nicht leben will, hat er eine Lösung gesucht. Mitte dieser Woche wird er die geschenkten Äpfel zur Mosterei karren, sie ergeben rund 400 Liter seines Lieblingstrunks.