Stiftspfarrer Matthias Vosseler in der Stiftskirche in Zeiten der Coronakrise. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Der Verzicht auf Gesang trifft Pfarrer und Gläubige beider Konfessionen immer noch hart. Auch die Kommunion mit Zange ist gewöhnungsbedürftig. Aber über allem steht die Freude, überhaupt wieder gemeinsam Gottesdienst zu feiern.

Stuttgart - Vergnügungssteuerpflichtig sind derzeit weder das Einkaufen noch andere Dinge des täglichen Lebens. Auch die ersten Gottesdienste nach dem Lockdown am vergangenen Wochenende waren gewöhnungsbedürftig. „Aber insgesamt ist die Wiederaufnahme der Gottesdienste mit Maske, aber ohne Gesang, gut angekommen. Die Menschen waren froh, wieder gemeinsam feiern zu können und sich nicht mehr nur aus der Ferne Gottesdienstübertragungen anzuschauen“, berichtet eine Mitarbeiterin von Stadtdekan Christian Hermes und ergänzt: „Aus der schwierigen Situation das Beste machen, lautet die Devise.“

Nach der Samstagabendmesse in St. Eberhard war immer wieder ein Satz der Besucher zu hören: „Es ist schön, wieder Gemeinschaft zu erleben, wenn auch unter den besonderen Bedingungen. Das ist etwas ganz anders als Gottesdienst-Streaming, bei dem man dann doch noch andere Dinge nebenbei macht oder abgelenkt wird.“ Auch die Kommunionspende mit Zange befremdete die Besucher zunächst, sei dann aber besser als gedacht angenommen worden. Eine Besucherin meinte später: „Ich hatte ein bisschen Sorge, dass es sich mit den ganzen Hygieneregeln nicht wie Gottesdienst anfühlen würde. Aber ich muss sagen: Es funktioniert.“ Beim Gesang war freilich vorwiegend die Kantorin zu hören. Aber bei den Wechselgesängen stimmten die Gläubigen leise, verhalten und in die Maske summend mit ein. Auch das System mit den Anmeldeformularen, die in der Kirche ausliegen, bereitete dem Team von St. Eberhard und den Besuchern keine Probleme.

Andere Gemeinden, gleiches Bild: Die neuen Bedingungen wurden gut angenommen. Allerdings: In St. Josef in Feuerbach mussten Gottesdienstbesucher abgewiesen werden. Die Gemeinde konnte nur 23 Plätze anbieten. Das soll sich jedoch am kommenden Sonntag nicht wiederholen. Fast überall sollen zwei Gottesdienste stattfinden. Manche Gemeinden wollen sogar ein Dauerkartensystem einführen, andere wollen den Eintritt per „Doodle“-Liste im Internet regeln.

In den evangelischen Kirchen der Stadt habe niemand nach Hause geschickt werden müssen, weiß Stadtdekan Sören Schwesig nach einem Rundruf in seinem Sprengel. Auch er hat den Eindruck, „dass die Menschen froh sind, überhaupt wieder in der Gemeinschaft Gottesdienst feiern zu können“. Klar, der fehlende Gesang sei seltsam gewesen. Dennoch hält er nichts davon, den Gesang per Summen durch die Hintertür einzuführen. „Ich bin für Klarheit“, sagt Schwesig.

Auch in der Stiftskirche vermissten Pfarrer Matthias Vosseler und Prälatin Gabriele Arnold den Gesang der Gemeinde. „Aber wir haben in der Stiftskirche ja das Glück, dass wir wunderbare Musiker und Sänger haben, da hat das gemeinsame Singen gar nicht so sehr gefehlt.“ Auch die Rückmeldung der Besucher sei sehr positiv gewesen: „Die Stimmung war heiter.“ Das mag auch daran gelegen haben, dass Arnold die Stimmung mit einem originellen Spruch auflockerte: „Singen und loben Sie Gott unter der Dusche.“ Noch besser kam jedoch die Erlaubnis an, die Maske abnehmen zu dürfen: „Unser Mesner hat das Sitzsystem in der Stiftskirche so ausgeklügelt, dass dies bei den entsprechend großen Abständen möglich war.“

Für beide Konfessionen in Stuttgart gilt: Die Gläubigen stellen fest, dass die wiedergewonnene Gemeinschaft guttut, dass sie auch über manche Erschwernis in der Corona-Krise hinweghilft. Und manche versuchen, aus der Not eine Tugend zu machen.

So hat der Stadtdekan Hermes für kommenden Sonntag in den Gottesdiensten um 10 und um 12 Uhr in St. Eberhard zu einem Masken-Contest aufgerufen. Ministranten und anwesende Kinder prämieren die schönste Maske. Der Preis ist ein Glas Honig von den frommen Bienen auf dem Dach des Doms.