Im Anflug: Bienen kehren in ihre Beute zurück. Foto: : dpa

Honig, Wachs und Beuten: Die Menschen, die in den Werkstätten der diakonischen Einrichtung arbeiten, haben die perfekte Beschäftigung gefunden. Das Angebot entstand aus der Not – und hilft nicht nur Imkern.

Ludwigsburg - Die Erfolgsgeschichte, die die Ludwigsburger Karlshöhe von ihren therapeutischen Werkstättenerzählen kann, beginnt mit einem etwas unerfreulichen Kapitel. Es handelt von der Suche nach Arbeit. Unerfreulich ist das Kapitel deshalb, weil die Arbeit, die die Karlshöhe suchte, für Menschen geeignet sein musste, die schon sehr lange nicht mehr gearbeitet hatten. Dass die Geschichte letztlich eine glückliche Wendung nahm, hat mit Hans-Martin Syring zu tun, ein bisschen auch mit Zufall – und noch ein bisschen mehr mit Bienen.

Werbung ist nicht mehr nötig, im Gegenteil

Vor 15 Jahren hat Hans-Martin Syring, der nicht nur der Leiter der Werkstätten ist, sondern auch Hobbyimker, das erste Bienenvolk auf die Karlshöhe gebracht. Dass die Insekten die therapeutischen Werkstätten dermaßen beflügeln würden, hat nicht mal Syring selbst gedacht. Aber dann hat ein Imker, der in ganz anderer Angelegenheit in der diakonischen Einrichtung zu tun hatte, die Behausung der Karlshöhen-Bienen gesehen und wollte auch so eine haben. Korrekt heißt eine solche Behausung Beute. Und eine solche schreinerten die Arbeiter in der Werkstatt für diesen Imker, der ihr erster Beuten-Kunde wurde.

Und dann hat sich das Angebot der Karlshöhe herumgesprochen. Hans-Martin Syring und seine Kollegen begannen, ihre Arbeit bei Imkervereinen im Landkreis vorzustellen. Und Jahr für Jahr bestellten mehr Imker mehr Beuten bei der Karlshöhe, die 2011 sogar eigens dafür ihre Holzwerkstatt eingerichtet hat. Inzwischen ist Werbung nicht mehr nötig, im Gegenteil. „Wir sind an der Leistungsgrenze“, sagt Hans-Martin Syring, den damals, vor 15 Jahren die Not erfinderisch gemacht hatte.

Für jeden das passende Geschäft

Die Männer und Frauen, die in den Werkstätten auf der Karlshöhe arbeiten – momentan sind es 70 – haben Probleme mit Alkohol oder Drogen, sind psychisch krank oder wohnungslos. Bei der therapeutischen Arbeit sollen sie an einen halbwegs normalen Tagesablauf gewöhnt werden. Die früheren Tätigkeiten waren dafür nur bedingt geeignet. Gab es aus der Industrie zum Beispiel den Auftrag, mehrere tausend Scheibenwischer zu montieren, gab es auch Termindruck: Gift für Menschen mit „besonderen sozialen Schwierigkeiten“. Um zu vermeiden, dass letztlich die Betreuer in den Werkstätten die Aufträge abarbeiteten, verlegte sich die Karlshöhe auf die Produktion von Möbeln aus Holz. Die Hocker und Stehpulte wurden zwar wunderschön, doch der Ab- und der Umsatz wurden nicht ganz so schön. Dann kamen die Bienen.

Wer Bienen hält, braucht nicht nur Beuten. Er braucht auch Rähmchen, in denen die Bienen Waben bauen können, und Deckel und Böden, die alles zusammen halten. Manche Imker brauchen auch ein Absperrgitter, das die Königin daran hindert, Eier in den Honigvorrat zu legen, und vielleicht auch eine extra Kiste für den Bienennachwuchs, Ableger genannt. Die Mitarbeiter in der Holzwerkstatt zersägen also große Balken aus Weymouthskiefer, hobeln und fräsen Seitenwände zurecht, leimen Hölzchen zu Rähmchen zusammen, ziehen Drähte und löten dünne Platten aus Wachs ein.

Ein gutes Gefühl für die Mitarbeiter

Für die Zubereiter des Bienenzubehörs gibt es einfache Tätigkeiten und komplexe, es gibt Arbeiten für Feinmotoriker und Arbeiten für feinmotorisch nicht so Begabte. Vor allem gibt es das ganze Jahr über etwas zu tun. Die Kontrolle der Bienenvölker – heute gibt es auf der Karlshöhe 30 Stück – und die Ernte des Honigs gehören auch zum Aufgabenbereich der Holzwerkler. Kurz gesagt: Die Arbeit, die mit den Bienen begann, ist perfekt.

Mit den Worten der Mitarbeiter, die lernen sollen, was eine Tagesstruktur ist, Ausdauer, Verantwortungsbewusstsein und Selbstwertgefühl, klingt das so: „Es macht Spaß, hier zu arbeiten.“ Oder: „Ich bin stolz auf mich.“ Oder: „Das ist richtige Arbeit.“ Oder: „Das ist sinnvolle Arbeit.“ Zahlen über Um- und Absätze mag Hans-Martin Syring, der die Zitate der Mitarbeiter gesammelt hat, keine nennen. Aber vielleicht reicht es zu wissen, dass auf der Karlshöhe eine lange Bestellliste kein Grund für beschleunigtes Arbeiten ist. Wie gesagt: Druck ist hier Gift. Und vielleicht sagt es genug, dass die Arbeit für und mit den Bienen zu anderen Projekten geführt hat.

Viele Nutznießer

Abgesehen davon, dass auf dem Gelände unzählige bienenfreundliche Blumen, Bäume und Sträucher gepflanzt wurden, und die Werkstätten einen Naturschutzpreis gewannen, gibt es auf der Karlshöhe inzwischen eine eigens entwickelte Blühmischung zu kaufen, die Karlshöher Bienenwiese. Außerdem gehören Wildbienenhotels zum Sortiment. Und natürlich auch der Honig der hilfreichen Bienen. Letztes Jahr haben sie fast 1000 Kilo gesammelt.

„Wir freuen uns, dass wir diesen Arbeitszweig haben“, sagt Hans-Martin Syring, der sich an diesem Donnerstag in den Ruhestand verabschieden wird. Wie es aussieht, sollte sich nicht nur die Karlshöhe freuen.