Rocker wie die Hells Angels bleiben vorerst unbehelligt Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Die Niederlage vor dem Bundesgerichtshof wollte das Innenministerium eigentlich nicht hinnehmen und weiter gegen das Tragen von Rockerkutten vorgehen. Doch diese Pläne werden vorläufig eingestellt.

Stuttgart - Die Rockergruppen im Land müssen auf absehbare Zeit nicht fürchten, dass das Innenministerium neue Maßnahmen gegen sie ergreift. Grund dafür ist die Beanspruchung durch die Flüchtlingskrise. Deswegen werden die Pläne zur Bekämpfung der Rocker für unbestimmte Zeit auf Eis gelegt, wie das Innenministerium auf Nachfrage den Stuttgarter Nachrichten mitteilte.

Zuletzt wollten die Behörden im Rahmen ihrer Null-Toleranz-Strategie gegenüber Rockern das Tragen der Abzeichen von Hells Angels, Bandidos und anderen Gruppen verbieten. Ein Urteil des Bundesgerichtshof im Juli verhinderte dies. Geschlagen geben wollte man sich nach dem Urteilsspruch nicht: „Wir werden das Urteil nach Vorliegen der schriftlichen Begründung intensiv auswerten und prüfen, welche Konsequenzen hieraus abzuleiten sind“, hatte Innenminister Reinhold Gall (SPD) damals gesagt. Gegebenenfalls werde das Ministerium eine Änderung des Vereinsgesetzes anstreben. Es stelle sich die Frage, ob das Hinzufügen eines Ortszusatzes ausreiche, sich von einem verbotenen Verein abzugrenzen. So kündigte Gall an, die Kuttenträger in einem zweiten Anlauf entblößen zu wollen.

Flüchtlingskrise bindet die Kapazitäten

Daraus wird erst mal nichts. Auf der Prioritätenliste des Innenministeriums ist das Thema nach hinten gerutscht, weil die Flüchtlingskrise die Kapazitäten der Behörde stark beansprucht. „Derzeit kümmert sich unsere Rechtsabteilung nicht um Rockerkutten“, sagt Pressesprecher Andreas Schanz. Die Umsetzung eines Urteils des Bundesverwaltungsgerichts, die es Rockern verbieten soll, Gegenstände zu tragen, die als Hieb- oder Stichwaffen eingesetzt werden könnten, wird dagegen weiterverfolgt. Bisher wurden aber nur wenige Rocker im Land angeschrieben und bekamen Nachricht, dass sie etwaige Baseballschläger im Kofferraum künftig zu Hause lassen müssen.

Die Innenministerien aller Länder hatten sich beim Kuttenverbot auf ein Urteil aus Hamburg berufen, das den dortigen Hells Angels als verbotener Vereinigung auch das Tragen ihrer Abzeichen untersagte. Ähnliche Urteile wendeten die Länder auf andere Rockerclubs wie Bandidos oder Gremium an. Das Innenministerium hatte offenbar nicht damit gerechnet, dass sich die Rocker Beistand von Rechtsexperten holten und gegen die Rechtssprechung klagten. Sie taten dies mit Erfolg.

Verbot gilt nur für bestimmte Abzeichen

Der Bundesgerichtshof urteilte, dass das Verbot nur dann für Rocker-Abzeichen wie geflügelten Totenkopf und den Hells-Angels-Schriftzug gelte, wenn sie in Kombination mit der Ortskennzeichnung einer verbotenen Ortsgruppe wie Hamburg verwendet wird. Die Stuttgarter Hells Angel, die seit etwa 20 Jahren strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten sind, dürfen ihre Kutten und Symbole also weiter zur Schau stellen. Zumindest bis Ende des Jahres: „Im Dezember findet die nächste Konferenz der Innenminister der Länder in Koblenz statt. Dann könnte unsere Strategie gegen Rockerkriminalität wieder Thema werden“, sagt Schanz.