Ein Testament wird handschriftlich verfasst. Foto: dpa

Ferdinand Piëch hinterlässt ein Vermögen von mehr als einer Milliarde Euro. Der verstorbene Automanager hat sich schon vor Jahren Gedanken darüber, was damit geschehen soll. Wir fragten einen Experten, was bei Erbschaften und in Testamenten an Klauseln erlaubt ist und was nicht.

Stuttgart - Nach dem Tod von Ferdinand Piëch im Alter von 82 Jahren stellt sich eine Frage: Wer erbt das auf 1,1 Milliarden Euro geschätzte Vermögen des Ex-VW-Chefs? Eine zentrale Figur bei der Verwaltung von Piëchs Nachlass ist seine Frau Ursula (63), mit der er seit 1984 verheiratet war. Sie selbst erbe allerdings nur, wenn sie nicht wieder heiratet, schreibt die „Bild“-Zeitung.

Sind solche Klauseln bei Erbschaften rechtlich zulässig? Was ist beim Vererben erlaubt und was nicht? Wir sprachen mit dem Stuttgarter Juristen Nikolas Hölscher, der Fachanwalt für Erb- und Familienrecht ist.

„Laien-Testamente führen häufig zu Streitigkeiten“

Herr Hölscher, in Deutschland werden riesige Vermögen übertragen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin schätzt, dass 2012 bis 2017 in Deutschland bis zu 400 Milliarden Euro pro Jahr vererbt werden. Gehen Erbschaften aus Ihrer Erfahrung in der Regel eher problemlos über die Bühne?

Das kommt darauf an. In der Praxis können zwei Grundkonstellationen unterschieden werden. Der geregelte und der ungeregelte Erbfall.

Was unterscheidet beide Fälle?

Bei einem geregelten Erbfall hat sich der Erblasser Gedanken über seine Vermögensnachfolge gemacht und diese mit professioneller Hilfe in die richtige Form gebracht. Die Bedachten, aber auch zurückgesetzte Kinder, wurden in die Nachfolgeregelung eingeweiht.

Das schafft eine deutlich größere Akzeptanz nach dem Todesfall und hilft Streit zu vermeiden. Wenn keine Akzeptanz festzustellen ist, kann man darüber noch sprechen und gegebenenfalls reagieren.

Und was geschieht, wenn es kein Testament gibt? Fliegen dann buchstäblich die Fetzen?

Bei einem solchen ungeregelten Erbfall hat der Erblasser entweder keine juristische Hilfe oder er hat eine Entscheidung mit den betroffenen Personen vor seinem Tod nicht besprochen. Solche Erbfälle bergen ein deutlich erhöhtes Streitpotenzial.

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„Zuwendungen dürfen mit Bedingungen verbunden werden“

Weil rechtlich Unzulässiges darin formuliert worden ist?

Unklare Laien-Testamente führen häufig zu Auslegungsstreitigkeiten. Bei unbesprochenen Testamenten stelle ich häufig fest, dass sich Angehörige zurückgesetzt fühlen. Gerade in Fällen, in denen es bereits lebzeitig zu Rivalitäten unter Geschwistern kam, entlädt sich dann im Erbfall der gesamte aufgestaute Frust und es kommt zum Streit.

Ferdinand Piëch soll sein Vermögen von geschätzten 1,1 Milliarden Euro seiner Ehefrau Ursula, zugewendet haben. Mit der Klausel: Sie darf nicht mehr heiraten. Ist eine solche Heiratsklausel überhaupt erlaubt?

Zuwendungen dürfen mit Bedingungen verbunden werden. Dies gilt für Schenkungen und erbrechtliche Zuwendungen gleichermaßen. Auch Klauseln, welche für den Fall der Wiederverheiratung eines verwitweten Ehegatten Konsequenzen nach sich ziehen, können zulässig sein.

In der jüngsten öffentlichen Berichterstattung im Fall Piëch wird der Eindruck vermittelt, Klauseln für den Wiederverheiratungsfall seien etwas Außergewöhnliches. Tatsächlich finden sich in hunderten von Berliner Testamenten von Ehegatten Klauseln für den Fall einer Wiederverheiratung des länger lebenden Ehegatten.

„Klauseln im Testament dürfen nicht sittenwidrig sein“

Widersprechen solche Klauseln nicht dem Sittengesetz?

Die Klauseln können tatsächlich – je nach Ausgestaltung – im Einzelfall sittenwidrig sein. Aufgrund der überragenden Bedeutung der Testierfreiheit im Bürgerlichen Gesetzbuch ist die Rechtsprechung mit der Annahme der Sittenwidrigkeit einer Verfügung jedoch zurecht zurückhaltend.

In Medien ist zu lesen, dass Ursula Piëch das Erbe des früheren VW-Chefs erhalten und verwalten soll. Ist es rechtlich legitim, zumindest dies im Testament festzuschreiben?

Welche konkreten Anordnungen im Fall Piëch getroffen wurden, entzieht sich meiner Kenntnis. Dass ein Erblasser – zum Beispiel seinen Ehegatten – mit der Erhaltung und Verwaltung seines Vermögens für seine Kinder betraut, ist rechtlich zulässig und nicht zu beanstanden.

Im Testament kann dies beispielsweise durch eine sogenannte Dauer-Testaments-Vollstreckung umgesetzt werden. Der Erbe erhält dann aus der Erbschaft nur dasjenige, was der Testamentsvollstrecker freigibt.

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Und was mit anderen Personen, die auch erbberechtigt sind – etwa die Kinder?

Der Gesetzgeber hat vorgesehen, dass Angehörige, die einen Pflichtteil erhalten – also insbesondere Kinder –, eine mit Testamentsvollstreckung belastete Erbschaft nicht annehmen müssen. Sie können die belastete Erbschaft ausschlagen und dann ihren Pflichtteil verlangen. Dieser beläuft sich auf die Hälfte des gesetzlichen Erbrechts.

Was ist in Testamenten generell an Klauseln erlaubt und was nicht? Darf der Vater beispielsweise der Tochter vorschreiben, wen sie zu heiraten hat?

Grundsätzlich gilt: Testamentsklauseln dürfen nicht gegen zwingende erbrechtliche Vorschriften verstoßen und sie dürfen nicht sittenwidrig sein. Eine an die Tochter gerichtete Vorgabe, eine erbrechtliche Zuwendung nur behalten zu dürfen, wenn sie eine bestimmte Person heiratet oder nicht heiratet, widerspricht dem allgemeinen Wertempfinden und kann sittenwidrig sein.

Können Sie ein Beispiel nennen.

Von der Rechtsprechung wurde zum Beispiel eine Testamentsklausel für sittenwidrig erachtet, wo eine erbrechtliche Zuwendung davon abhing, dass der Bedachte innerhalb von drei Jahren nach dem Erbfall eine bestimmte Person nicht heiratet.

Weiter gefragt: Darf der Erblasser vorschreiben, was mit dem Vermögen zu geschehen hat, wofür es eingesetzt oder für was es veräußert werden kann?

Ja. Bedingungen, die sich auf die Verwaltung des vererbten Vermögens beziehen und einer vernünftigen Sorge für die sinnvolle Nutzung und Bewahrung des Vermögens entspringen, können wirksam angeordnet werden.

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Es gibt unzählige Variationen, den Erben vorzuschreiben, was sie tun und zu lassen haben. Was ist an Forderungen des Erblassers erlaubt und was ist gesetzlich unzulässig – etwa bezüglich des Verhaltens, der Lebensweise des/der Erben?

Was erlaubt ist und was nicht richtet sich wiederum an der Frage der Sittenwidrigkeit aus. Um zwei Beispiele aus der Praxis zu nennen: Vorgaben für Wohnsitz und Berufswahl können sittenwidrig sein, wenn nicht eine vernünftige sachliche Rechtfertigung für die Bedingung besteht.

Es kommt bei der Frage nach der Sittenwidrigkeit auf eine Gesamtabwägung der Motive und Auswirkungen im Einzelfall an. Fakt ist aber auch: Die meisten Erblasser haben kein oder zumindest kein gesteigertes Interesse ihren Erben solche Vorgaben zu machen.

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Unterscheidet der Gesetzgeber bei solchen Klauseln zwischen Testament und Schenkung? Ist also bei einer vorerblichen Schenkung mehr zulässig als bei einer Erbschaft?

Ja, hier kann es Unterschiede geben. Der sogenannte Übergeber, welcher „das Heft in der Hand behalten“ und Einfluss auf den Bedachten ausüben möchte, kann sich beispielsweise bei einer vorweggenommenen Erbfolge ein freies, bedingungsloses und jederzeit gültiges Rückforderungsrecht vorbehalten.

Das kann allerdings teilweise unerwünschte „Nebenwirkungen“ haben, welche im Einzelfall besprochen werden müssen. Aber auch hier gilt: Der Wunsch – ohne jeden Anlass – das Zugewendete zurückfordern zu können, ist in der Praxis eher selten.

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Zur Person

Nikolas Hölscher ist Jahrgang 1981. Er studierte Rechtswissenschaften in Tübingen, wo er auch promovierte.

Seit 2008 ist er als Rechtsanwalt bei der Kanzlei Gaßmann & Seidel in Stuttgart tätig.

Er hat sich als Fachanwalt für Erbrecht, Fachanwalt für Familienrecht und Fachanwalt für Gesellschaftsrecht auf Fragen der Vermögensnachfolge spezialisiert. Zudem bildet er Rechtsanwälte in diesem Bereich fort.