Wenn die Post 2023 auszieht, kann das Areal bebaut werden: mit Wohnungen und einem Kultur- und Bürgerzentrum. Foto: Simon Granville

Die Grünen kritisieren, dass die Stadtverwaltung Sindelfingen bei der Entwicklung des Volksbank-Post-Areals so viel Tempo macht. Sie wollen genauer über die Pläne – vor allem für ein Kultur- und Bürgerzentrum – debattieren, und zwar öffentlich im Gemeinderat.

Sindelfingen - Es sei ein „Schnellschuss“ gewesen, sagt der Grünen-Chef im Gemeinderat, Tobias Bacherle, dass die Verwaltung ihre Pläne für das weitere Vorgehen auf dem Filetstück im Herzen Sindelfingens so kurzfristig im Technischen Ausschuss des Gremiums präsentiert habe. Erst ganz kurz vor der Sitzung hätten die Räte die Verwaltungsvorlage bekommen. „Wir wollen, dass da etwas Grandioses entsteht, das geht so nicht“, sagt er. Die Fraktionschefin der Freien Wähler, Ingrid Balzer, meint: „Da mussten wir streiken, da kann man so kurzfristig gar nichts sagen.“ Und Axel Finkelnburg (SPD) sagt nur kurz: „Wir waren entsetzt.“

Das Thema wurde vertagt und steht nächste Woche auf der Tagesordnung der Ausschüsse des Gemeinderats.

Das Volksbank-Postareal soll zu einem innerstädtischen Zentrum werden: zum Wohnen, zum Leben und für die Freizeit. Die Verwaltung plant für das Grundstück zunächst einen städtebaulichen Wettbewerb. So weit waren alle einverstanden.

Grundstück soll geteilt werden

In der Beschlussvorlage vom Dezember ist zu lesen, dass das Areal in zwei Grundstücksteile gegliedert werden soll – davon hörten die Gemeinderäte laut eigenem Bekunden zum ersten Mal. Ein Teil soll die städtische Tochter Wohnstätten Sindelfingen GmbH entwickeln. Auf dem anderen soll über eine europaweite Ausschreibung unter anderem ein Kultur- und Bürgerzentrum entstehen; investorengetrieben. Geplant ist auch ein Ärztehaus auf dem Areal.

Bacherle ist vor allem mit zwei Punkten nicht einverstanden: Die Grünen seien gegen ein Ärztezentrum an dieser Stelle, weil das zu viel Autoverkehr zur Folge hätte. Der zweite Kritikpunkt dreht sich um die Teilung des Grundstücks. Seine Fraktion sähe es lieber, wenn das gesamte Areal über einen möglichst europaweiten Wettbewerb entwickelt würde. „Uns ist die Offenheit des Wettbewerbs wichtiger als die Festlegung auf eine Lösung. Bacherle zeigt Verständnis, dass die Stadt die Planung nicht aus der Hand geben und auch deshalb die Grundstücksteilung wolle; so kann die Wohnstätten Sindelfingen mitentwickeln und man ist keinem Investor „ausgeliefert“. Die Stadt habe schließlich ein „Domo-Trauma“. Möglicherweise sei auch das europäische Vergaberecht der Grund für die Teilung – aber ist davon in der Beschlussvorlage nichts zu lesen.

Trauma „Domo novo“ von 2018

Rückblick: Vor vier Jahren war man in Sindelfingen fast schon mal soweit, eine neue Bleibe für die Kulturschaffenden zu bekommen. Es folgten zwei Jahre heiße Diskussionen in der Stadt, bis der Gemeinderat 2018 das „Domo novo“ zu Grabe trug. „Zu teuer, und wegen der unklaren rechtlichen Lage und der Besitzverhältnisse auch zu riskant“, lautete damals die Begründung. Fortan galt der Standort Alte AOK, die abgerissen werden sollte, in der Nähe des Bahnhofs als künftige Adresse. 20 Vereine haben ihr Domizil darin.

Das Thema Vereine ist noch ein Knackpunkt für Bacherle. In der Sindelfinger Kulturszene gibt es einige Player, die möglicherweise in absehbarer Zeit einen neuen, großen Spielort brauchen – weil bestehende zu klein sind oder demnächst den Brandschutzvorgaben nicht mehr genügen. Für sie könnte es Platz im Kultur- und Bürgerzentrum geben. Aber wie würde ein Konzept dazu aussehen? Wie könnte das Haus betrieben werden? Diese Fragen wollen die Fraktionen im Gemeinderat erörtern.

Schützenhilfe aus Reutlingen

Die Grünen haben sich für diese Diskussion vorbereitet und deshalb am Dienstag ein digitales Forum zu den Plänen für ein Kultur- und Bürgerzentrum veranstaltet: im Austausch mit den Geschäftsführern des soziokulturellen Zentrums franz K. in Reutlingen; 2008 gestartet mit viel Elan und wenig Geld. Heute hat das Zentrum 1,5 Millionen Budget, schreibt schwarze Zahlen, hat rund 50 000 Besucher jährlich und bietet Sindelfingen schon jetzt eine Kooperation an. „Ein solches Zentrum in Sindelfingen wäre eine Bereicherung für uns in Reutlingen“, sagt Claudia Heldt, die mit Andreas Roth den geschäftsführenden Vorstand des franz K. bildet.