Martina Holler freut sich über volle Gemüseregale für ihre Kunden. Foto: factum/Simon Granville

Im Strohgäuladen werden Gemüse und Obst hängerweise angeliefert. Für Arme ist die Tafel lebensnotwendig.

Ditzingen - Äpfel und Kartoffeln, Kraut und Kürbis, Brokkoli und Möhren, Paprika und Blumenkohl – die Liste lässt sich fortsetzen. Alles stapelt sich in grünen Kisten auf dem Hänger. Oder in Säcken. Walter Wolfangel und Kuno Schäuffele fahren viermal an diesem Montag beim Strohgäuladen in Ditzingen vor. Die beiden Männer, 73 und 51, bringen dem Tafelladen frische Ware. Am Tag nach dem Erntedankfest holen sie diese bei Kirchengemeinden ab – etwa in Heimerdingen oder Hemmingen. Heide und Lothar Beuter fahren nach Münchingen, andere kommen aus Gerlingen.

Die Lebensmittel von den Erntedankaltären sind für die Kunden des Tafelladens. Das ist in Ditzingen nicht anders als in Ludwigsburg oder Bietigheim-Bissingen. „Ich bin froh, wenn wir genug haben“, sagt Martina Holler vom Strohgäuladen. Auch Anne Schneider-Müller vom Tafelladen in Ludwigsburg setzte am Montag doppelt so viel Ehrenamtliche ein wie sonst. „Unser Bus war heute morgen voll bis unters Dach. Wir bekommen nicht nur Obst und Gemüse“, sagt Schneider-Müller dankbar, „sondern auch Zucker, Mehl, Nudeln oder Konserven.“

Ein Viertel leidet unter Altersarmut

Die Kundschaft der Tafelläden nimmt das gerne an. In Ludwigsburg sind 1600 Menschen einkaufsberechtigt, in Ditzingen haben 450 Familien und Einzelpersonen einen Ausweis – so werden 1000 Menschen mit niedrigem Einkommen preiswert mit Lebensmitteln und anderen wichtigen Dingen versorgt. Die Hälfte davon sind Kinder. „Ein weiteres Viertel der Kunden ist von Altersarmut betroffen“, berichtet Nadine Bernecker, die Leiterin der Diakonischen Bezirksstelle in Ditzingen. Wie Herr B.: Der 67-Jährige hatte ein eigenes Geschäft, musste dieses wegen einer Krankheit aufgeben. Er ist geschieden und hat keine Ersparnisse. Die 454 Euro Grundsicherung pro Monat reichen kaum für die Miete und die Krankenversicherung. „Der Mann ist auf den Strohgäuladen angewiesen“, sagt Bernecker.

Oder Frau G.: Sie hat drei Kinder zwischen zwei und sechs Jahren, ihr Mann arbeitet für niedrigsten Lohn, er bekommt ergänzend Arbeitslosengeld II. Nach der Mietzahlung hat die Familie für fünf Personen noch gut 800 Euro im Monat. „Die Mutter kauft zweimal in der Woche im Strohgäuladen ein“, berichtet Bernecker.

„Anderen etwas Gutes tun“

Martina Holler flitzt an diesem Vormittag zwischen Lager und Laden hin und her. Vier andere Frauen sortieren die Ware, verstauen Kartoffeln, Kürbisse, Äpfel. „Ich schaffe mit“, erzählt Sigrid Fuchs, „weil ich anderen etwas Gutes tun will. Das ist wichtig, wenn’s einem gut geht.“

Etwa 350 Kunden kommen pro Woche in den Strohgäuladen. Jeden Tag sehe sie eine etwa 80 Jahre alte Rentnerin, erzählt Martina Holler, sie kaufe ein bisschen Obst und Gemüse, ab und an ein paar Nudeln. „Die Frau steht jeden Tag an, schon, bevor wir öffnen.“ Etwa die Hälfte der Kunden komme mehrmals in der Woche.

Alles Zeichen von Armut. Wie lässt sich dieses Phänomen definieren? Es gebe viele Merkmale, meint Nadine Bernecker, nicht nur bei den Flüchtlingen – etwa Arbeit im Niedriglohnsektor. Natürlich die Arbeitslosigkeit, kleine Rente oder der Bezug von Hartz-IV oder Grundsicherung. Zusammengefasst: wenig Geld zum Leben.

Zentrale Armutsstatistik gibt es nicht

Eine zentrale Armutsstatistik gibt es nicht. Nur eine Zahl wird im Landratsamt erfasst: die der Bezieher von Arbeitslosengeld II. Bis Mitte 2017 stieg sie an, seither fällt sie – auf jetzt unter 19 000.

Die Verantwortlichen der Tafelläden sind froh, wenn genug Ware im Lager ist. Alle Läden suchen händeringend neue ehrenamtliche Mitarbeiter, die für andere mit anpacken. In Ditzingen hat neulich ein 60-Jähriger einen halben Tag Urlaub genutzt, um mit dem Bus des Strohgäuladens Ware zu holen. Sein Name? Michael Makurath. Der Oberbürgermeister möchte ein Beispiel geben – ohne Aufhebens.