Die Erstberatung beim Verkauf von Elektroautos ist aufwendig, sagen Händler Foto: Mauritius

Elektromobilität gilt seit dem Diesel-Skandal noch stärker als die Zukunft der Autobauer. Für die Autohändler sieht die Realität aber ganz anders aus: Beim Verkauf von Elektroautos haben sie Probleme.

Stuttgart - Autohändler machen es ihren Kunden offenbar schwer, ein Elektroauto zu kaufen. Das beklagt der Verein Electrify BW, der sich für den Ausbau der Elektromobilität im Land einsetzt. Mit ihrem Verhalten konterkarierten manche Autohäuser die Ziele der Energiewende, kritisiert der Verein.

Mitglieder von Electrify BW fühlen sich, so sagen sie, in den meisten Autohäusern nicht willkommen. Die Schilderungen, die bei ihren Treffen zu vernehmen sind, klingen allesamt recht ähnlich: Um ein Elektroauto zu kaufen, müsse man regelrecht betteln, viele Autohändler ließen nichts unversucht, den Interessenten an umweltfreundlichem Autofahren den Abschied vom Verbrennungsmotor auszureden. Jana Höffner, stellvertretende Electrify-BW-Vorsitzende, fasst es wie folgt zusammen: „Man gewinnt den Eindruck, dass die meisten Händler ihre Elektroautos überhaupt nicht verkaufen wollen.“

Ähnliche Beobachtungen hat auch die E-Mobil BW GmbH gemacht. Die Landesagentur hat den Auftrag, die Elektromobilität in Baden-Württemberg voranzutreiben. „Wir haben auch schon an verschiedenen Stellen aus unserem Netzwerk und Bürgeranfragen die Rückmeldung erhalten, dass die Beratung und die Information zur Elektromobilität bei einigen Händlern nicht immer zufriedenstellend ausgefallen ist“, sagt Franz Loogen, Geschäftsführer der E-Mobil BW.

Politik will sich Problemen annehmen

Ob schlicht mangelndes Wissen seitens des Vertriebs oder betriebswirtschaftliche Überlegungen dafür verantwortlich sind, darüber will die E-Mobil BW nicht spekulieren. Fakt sei, dass der Handel eine sehr wichtige Rolle bei der Erklärung neuer Technologien spiele. „Nur der Handel kann Elektrofahrzeuge erfolgreich vermarkten“, sagt Loogen.

Das hat offenbar auch die Landespolitik erkannt. „Der von Ministerpräsident Kretschmann angestoßene Strategiedialog Automobilwirtschaft BW nimmt die gesamte Wertschöpfungskette in den Blick“, sagt Loogen – also nicht nur die Autobauer, sondern auch den Handel. Beim Strategiedialog wurde daher Ende Juli die Frage auf die Agenda gesetzt, wie der Vertrieb der Autohändler für die Zukunft der E-Mobilität fit gemacht werden kann. Das Forum von Politik und Industrie ist jedoch auf sieben Jahre angelegt. Wann die Autohändler letztlich dazugeholt werden sollen, ist noch unklar. Der Verband des Kraftfahrzeuggewerbes Baden-Württemberg, der die Vertragshändler vertritt, sieht sich indes bereits auf einem guten Weg zum Mobilitätswandel. „Das Engagement unseres Gewerbes lässt sich auch im Bereich der beruflichen Bildung verdeutlichen“, sagt ein Sprecher des Verbands. Auszubildenden zum Kfz-Mechatroniker würden seit 2014 grundlegende Fachkenntnisse zur Reparatur von Hybrid- und reinen Elektrofahrzeugen vermittelt. Auf ältere Beschäftigte treffe das aber nicht unbedingt zu, so der Sprecher weiter.

Überschaubarer Gebrauchtwagenmarkt

Dass der Handel mit Elektroautos bislang nicht gerade floriert, führt der Verband auf teure Neuwagen und gleichzeitig auf den übersichtlichen Gebrauchtwagenmarkt zurück. „Zwei von drei Neuwagen werden von Unternehmen gekauft“, erklärt der Verbandssprecher. Damit der Gebrauchtwagenmarkt wachsen kann, sei es sinnvoll, die Anschaffung von Elektrofahrzeugen durch Unternehmen mit einer 50-prozentigen Sonderabschreibung zu fördern. Elektroautos, die für Firmenzwecke im Einsatz sind, würden sich schneller abnutzen als privat genutzte Autos. Und dadurch könnten sie schneller auf dem Gebrauchtwagenmarkt landen. Auch beim Bundesverband freier Kfz-Händler (BVfK) weist man die Kritik zurück. „Uns ist nicht bekannt, dass es im freien Handel eine grundsätzlich ablehnende Haltung gegenüber alternativen Antriebstechniken gibt“, sagt Geschäftsführer Ansgar Klein. Dennoch seien Abweichungen von „der Idealform der Beratung“ nicht ausgeschlossen. Ansgar Klein verweist darauf, dass bei vielen Kfz-Händlern der Verkauf von Elektro- und Hybridfahrzeugen mittlerweile ein wichtiger Pfeiler sei.

„Die Erstberatung bei E-Autos ist wesentlich aufwendiger als bei Verbrennern“, sagt Hendrik Handke, E-Mobility-Experte eines Stuttgarter Autohauses. Es gelte viele Spezialfragen zu beantworten, in denen zahlreiche Verkäufer der Konkurrenz schlicht nicht geschult seien. Viele Autohäuser würden diese Schulungen scheuen – aus Kostengründen. Zudem sei die Wartung von E-Autos einfacher als bei Benzinern oder Diesel – und damit weniger lukrativ. Auch das könnte ihre Zurückhaltung beim E-Auto-Verkauf erklären.