Die beiden Kühltürme des Kernkraftwerks Philippsburg sind eine weithin sichtbare, aber ungeliebte Landmarke. Bald sollen sie verschwinden. Foto: Stefan Jehle/Archiv

Kernkraft
Am Ende des Jahres wird auch der zweite Block des Kernkraftwerks Philippsburg stillgelegt. Die beiden 150 Meter hohen Kühltürme werden womöglich kurz darauf gesprengt, denn es gibt schon neue Pläne für das Gelände.

Philippsburg - Weithin sind die Kühltürme bei Philippsburg (Kreis Karlsruhe) sichtbar: selbst noch aus über 70 Kilometer Entfernung von den ersten Bergkuppen im Nordschwarzwald oder von der elsässischen Grenze bei Bad Bergzabern. Da das Kernkraftwerk aber zum Jahresende endgültig den Betrieb einstellt, spricht derzeit einiges für eine Sprengung der Türme – als Vorlage könnte der im Februar gesprengte Kohle-Meiler „Knepper“ bei Dortmund dienen. Das Umweltministerium prüft aber erst noch.

Während der Kühlturm des Kraftwerks-Block 1 schon 2011 mit dem Atom-Moratorium außer Betrieb ging, wird Block 2 Ende dieses Jahres vom Netz gehen. Erstmals 2016 redete auch die EnBW – die Energie Baden-Württemberg als Betreiber des Kernkraftwerks – von der Möglichkeit einer Sprengung. Für Jörg Michels, den Leiter der Kernkraftwerkssparte, ist schon länger klar, dass die Kühltürme Folgenutzungen im Wege stehen. Westlich der beiden aus jeweils 30 000 Tonnen Stahl und Beton bestehenden und rund 40 Jahre alten Kolosse soll Platz gemacht werden für ein Umspannwerk, wo die mit starken Überlandleitungen aus dem Norden hergeschaffte regenerative Energie von Gleich- auf Wechselstrom umgewandelt werden soll. Dieser Konverter ist quasi beschlossene Sache, eine Machbarkeitsstudie sieht dafür annähernd die Hälfte des bisherigen Kraftwerksgeländes vor. Genehmigungen werden noch 2019 erwartet.

Der zum Rhein angrenzende Geländeteil des Kraftwerks wirkt bereits wie leergefegt. Der 2011 außer Betrieb gegangene Kühlturm ist von einer Vielzahl von Baumaschinen umgeben. Längst sind dort einst von der EnBW genutzte Hallen abgeräumt. Zunächst hatte es Überlegungen gegeben, den Konverter nahe am Stadtrand zu bauen. Dagegen baute sich Widerstand auf, weil es eine „unerträgliche Lärmbelastung“ gegeben hätte, sagt Hans-Gerd Coenen, der CDU-Fraktionschef im Philippsburger Gemeinderat. Noch in 300 bis 400 Meter Abstand werde starkes „Spannungspfeifen“ zu hören sein.

„Die zwei Kühltürme taugen nicht zu einer positiven Imagebildung der Stadt“, sagt auch Joachim Pöschel, der Vorsitzende der SPD-Fraktion, der nach den Freien Wählern drittgrößten Gruppierung im Stadtrat. Die Stadt selbst mit Bürgermeister Stefan Martus (parteilos) favorisiert ebenfalls die Sprengung – doch noch prüft das Umweltministerium. Denn dort gibt es Bedenken wegen möglicher Auswirkungen auf die Umgebung – etwa auf das Zwischenlager, das in etwa 150 Meter Abstand zum Kühlturm liegt. Dort befinden sich 152 Stellplätze für Castoren-Behälter mit verglasten und radioaktiv strahlenden Reststoffen verbrauchter Brennelemente. Aktuell sind 62 Plätze belegt.

Es sei zwar von der EnBW geplant, die beiden Kühltürme im Jahr 2020 abzubrechen. „Ob dies mit Sprengung erfolgen kann, wird zurzeit noch geprüft“, sagt ein Sprecher von Umweltminister Franz Untersteller (Grüne). Der Abschlussbericht einer Umweltverträglichkeitsuntersuchung liegt vor.

Auch eine Sprecherin der EnBW hält sich derzeit offiziell noch bedeckt: „Für den Abbruch stehen zwei Verfahren zur Verfügung: der maschinelle Abbruch und der Sprengabbruch“. Es müsse der Nachweis erbracht werden, dass der Abbruch keine unzulässigen Auswirkungen auf die übrigen Einrichtungen und Anlagen auf dem Gelände habe. Für Bürgermeister Martus wäre es keine wünschenswerte Alternative – wie etwa beim Rückbau des Kernkraftwerks Mülheim-Kärlich –, die Kühltürme von oben her zwei Jahre lang „mit dem Bagger, mit viel Lärm und mit viel Staub“ zurückzubauen. Martus rechnet derzeit damit, dass die Kühltürme im Frühjahr 2020 fallen werden. „In einem empfindlichen FFH-Gebiet noch vor Beginn der Vegetationsperiode“, wie er sagt.

Für die beiden Gemeinderäte Joachim Pöschel (SPD) und Hans-Gerd Coenen (CDU) bleibt aber nicht die Sprengung die größte Herausforderung des Jahres 2019: Sie treibt die geplante Zwischenlagerung von weiteren fünf Castoren aus der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague um. Die Einlagerung „fremder Castoren“ gelte es, ohne die Einhaltung höchstmöglicher Sicherheitsstandards und ohne die Reparaturtechnik „Heiße Zelle“ zu verhindern, sagt Pöschel ganz klar. Die besagte „Heiße Zelle“ ist ein stark abgeschirmter Raum zur Handhabung und kurzfristigen Lagerung von hochradioaktiven Substanzen; die vorhandene wird es mit der Abschaltung des Kraftwerksblock 2 aber bald nicht mehr geben. Die für 2019 geplante Anlieferung von den „ohne entsprechende Standards“ in La Hague hergestellten Castoren ist deshalb vielen Gemeinderäten alles andere als geheuer.

Ende 2022 wird dann mit dem zweiten Block in Neckarwestheim das letzte Kernkraftwerk in Baden-Württemberg und auch in ganz Deutschland geschlossen.