E-Fuels sollen den Verkehr sauberer machen. Noch stecken viele Projekte zur Erzeugung von E-Diesel und E-Benzin in der Forschungsphase. Foto: Audi

Ausgerechnet Kraftstoffe auf Ökostrom-Basis sollen die Zukunft des Verbrennungsmotors retten. Vor allem Audi setzt auf diese E-Fuels. Viele Energieexperten sind indes skeptisch, ob künstlicher Sprit die Lösung für sauberen Pkw-Verkehr ist.

Stuttgart - So weit das Auge reicht plattes Land, Äcker, Moore, ein paar Hecken und Wäldchen. An einem schnurgeraden Feldweg ragen die Silos einer Biogasanlage empor, eine unscheinbare Halle steht daneben sowie ein haushohes Gewirr aus Metallrohren und -behältern. Hier in Werlte, in der niedersächsischen Provinz, zwischen Schweinemastställen und der Küste, arbeitet der Autohersteller Audi an einer womöglich wichtigen Zukunftstechnik.

Seit 2013 produziert Audi in der sogenannten Power-to-Gas-Anlage CO2-neutrales, synthetisches Methan aus Windstrom. Dieses wird ins Gasnetz eingespeist. Laut Audi wird in Werlte jedes Jahr so viel Gas produziert, wie 1500 Audi A3 jeweils auf einer Strecke von 15 000 Kilometern verbrauchen.

Das Unternehmen erforscht zudem seit 2014 mit der Firma Sunfire in Dresden die Herstellung von synthetischem Diesel. Demnächst will Audi mit anderen Partnern im schweizerischen Laufenburg eine neue Anlage errichten und dort 400 000 Liter E-Diesel jährlich erzeugen.

Auch E-Benzin soll künftig zur Produktpalette des Autobauers gehören. E-Fuels werden all diese Kraftstoffe genannt, weil ihre Erzeugung auf Strom, genauer gesagt, erneuerbarem Strom basieren.

Keine Tank-Teller-Diskussion

Das Rezept klingt einfach: Man nehme Strom aus Sonne und Wind, spalte damit per Elektrolyse Wasser in Sauer- und Wasserstoff auf – und wandle letzteres Gas unter Zugabe von Kohlendioxid (CO2) in die Kraftstoffe Methan, Flüssiggas , Diesel, Benzin oder Kerosin um. Das CO2 sollte grün, das heißt biogenen Ursprungs sein – so wie in Werlte, wo es aus der benachbarten Biogasanlage stammt. Es kann jedoch auch aus der Luft gefiltert werden. „Audi setzt auf die Entwicklung von E-Fuels, weil Fahrzeuge damit 70 Prozent, bei Audi E-Gas sogar 80 Prozent weniger CO2 ausstoßen“, sagt ein Sprecher des Konzerns.

Der Energiebedarf für den Bau der Anlagen und der Transport der Kraftstoffe sei dabei schon einberechnet. „Außerdem kann das vorhandene Tankstellennetz genutzt werden.“ Obendrein werde die Tank-Teller-Diskussion über die bislang genutzten Biokraftstoffe vermieden – sprich die ethische Frage, ob gerade in ärmeren Ländern Nahrungsmittel angebaut werden sollten, um daraus Sprit zu produzieren. Auch Bosch richtet sein Augenmerk verstärkt auf E-Fuels. Diese könnten herkömmlichem Kraftstoff beigemischt werden und trügen so direkt zur CO2-Senkung bei, heißt es bei dem Zulieferer. Daher teste Bosch seit einigen Monaten die Verträglichkeit von E-Fuels für Automotoren, sagt ein Sprecher.

Für den Pkw seien batterieelektrische Autos besser geeignet

Der Einsatz von synthetischem Sprit für Autos ist jedoch umstritten. Zwar räumen Energieexperten E-Fuels große Chancen für die Energiewende im Verkehr ein – das gilt aber vor allem für die Schiff- und Luftfahrt. „Schiffe und Flugzeuge sind aus heutiger Sicht nicht elektrifizierbar. In diesen Bereichen sind synthetische Kraftstoffe wie Flüssiggas oder E-Kerosin eine Option für die Zukunft“, sagt Peter Kasten, Experte für Ressourcen und Mobilität beim Öko-Institut. Für Autos sei dagegen ein batterieelektrischer Antrieb besser geeignet.

„Aufgrund der Energieverluste bei der Herstellung von E-Fuels haben entsprechende Antriebe einen fünf- bis sechsmal höheren Strombedarf“, erklärt der Wissenschaftler. Selbst für den Lkw-Verkehr sei der Bau von elektrischen Oberleitungen auf den wichtigsten Transportstrecken kostengünstiger als der Betrieb mit E-Fuels, habe sein Institut berechnet. Für die Herstellung von synthetischen Kraftstoffen müsste, sagt Kasten, die Stromerzeugung um ein Vielfaches ausgebaut werden, denn Stromüberschüsse seien nicht in den erforderlichen Mengen vorhanden.

Der Ausbau der Stromerzeugung, die Investitionskosten für Wasserstoff-Anlagen, deren geringe Volllaststunden – jedenfalls wenn in Deutschland produziert werden soll – machten die Produktion von E-Kraftstoffen immens teuer, sagt Kasten. Auch Greenpeace sieht aus diesen Gründen die Zukunft von E-Fuels eher in der Luft und auf dem Wasser. „Wir werden um E-Fuels nicht herumkommen“, betont indessen Stefan Siegemund, stellvertretender Bereichsleiter Erneuerbare Energien und Mobilität bei der Deutschen Energieagentur (Dena). Siegemund hat im Rahmen einer aktuellen Studie das Potenzial strombasierter Kraftstoffe in der EU untersucht. Auftraggeber war der Verband der Automobilindustrie. „Unser Szenario zeigt, dass im Jahr 2050 nur 30 Prozent der Mobilität batterieelektrisch betrieben werden kann“, erläutert er, „und 70 Prozent mit E-Fuels abgedeckt werden müssen.“ Siegemund sieht ebenfalls die Notwendigkeit von synthetischen Kraftstoffen im Schiffs- und Flugverkehr – aber eben auch bei Lastwagen und Autos.

Doch auch der Dena-Experte nennt Probleme: Die EU-weite Erzeugung von regenerativem Strom müsse um das 1,7 bis Dreifache steigen bei flächendeckender E-Fuel-Anwendung. Rein technisch wären die EU-Länder dazu in der Lage, doch scheuten viele Regierungen die Kosten. Eine Lösung sei die Verlagerung der Produktion ins Ausland, etwa ins sonnenreiche Nordafrika. Wenn es aber gelänge, die Preise für Strom und die Anlagentechnik zu senken, könne die EU die Ziele erreichen. „Momentan würde ein Liter E-Diesel etwa 4,50 Euro kosten. Bis 2040 könnte der Preis auf zwei Euro gesenkt werden.“ Dazu müssten E-Fuels laut Siegemund aber endlich konsequenter gefördert werden.

„Wir werden um E-Fuels nicht herumkommen“