Sind sich bei der Energiewende uneinig: Der bayrische Ministerpräsident Horst Seehofer und Wirtschaftsministerin Ilse Aigner. Foto: dpa

Bei der CSU hängt zum Jahresauftakt der Haussegen schief. Streitthema: die Energiewende. Bayerns Ministerpräsident Seehofer ist offensichtlich nicht begeistert von einem Plan seiner Wirtschaftsministerin Aigner – ihr Südwest-Kollege Schmid schon.

Bei der CSU hängt zum Jahresauftakt der Haussegen schief. Streitthema: die Energiewende. Bayerns Ministerpräsident Seehofer ist offensichtlich nicht begeistert von einem Plan seiner Wirtschaftsministerin Aigner – ihr Südwest-Kollege Schmid schon.

München - „CSU will Energiewende auf Pump“ – Schlagzeilen wie diese gefallen Bayerns Ministerpräsidenten Horst Seehofer überhaupt nicht. Denn die Christsozialen sollen in keiner Weise mit Schuldenmacherei in Verbindung gebracht werden. Und noch weniger gefällt es Seehofer, wenn er von dem Vorschlag seiner neuen Wirtschaftsministerin aus der Presse erfährt.

Ilse Aigners Vorstoß vom verlängerten Dreikönigswochenende, die Kosten für den Ausbau der erneuerbaren Energien zu strecken und damit die Stromverbraucher jetzt nicht noch höher zu belasten, hatte Seehofer kalt erwischt. Das Geld solle aus einem Fonds genommen und erst in Jahrzehnten zurückbezahlt werden. Prompt richtete Seehofer der einst als „Kronprinzessin“ gehandelten Aigner öffentlich per Zeitungsinterview aus: „Wir dürfen den künftigen Generationen nicht die Energiekosten von heute zusätzlich aufbürden.“ Der Vorschlag sei „nicht nachhaltig“.

Erstaunlicher noch ist deren forsche Antwort: „Es reicht nicht, immer nur Nein zu sagen.“ Über das Thema müsse ernsthaft geredet werden. Aigner kann sich nun einreihen in die lange Schlange jener Parteifreunde, die Seehofer schon auf teils wüste Art und Weise abgebürstet hat. Doch sie ist eine der bisher ganz wenigen, die es wagt, dem allmächtig erscheinenden Parteivorsitzenden vor aller Augen Contra zu geben. Normalerweise tauchen die Abgewatschten erst einmal für einige Zeit ab, um dann wieder hervorzutreten, als sei nichts gewesen. Finanzminister Markus Söder hat das ebenso gemacht wie die frühere Justizministerin Beate Merk.

Seehofer für Chaos und Konzeptlosigkeit teils selbst schuld

Seehofer nimmt die Turbulenzen nicht auf die leichte Schulter. Am Dienstag tagte er mit dem Kabinett zu diesem Thema – die Sitzung endete am Nachmittag mit einer kompletten Niederlage für Aigner. Deren Überlegung für eine Fondslösung sei beraten worden. Diese Überlegung aber werde „derzeit nicht weiterverfolgt“, sagte Aigner. Im Vordergrund stünden vielmehr die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) und die Sicherung der Grundlastfähigkeit bei der Stromversorgung. Der große Vorsitzende hat gesprochen. Er hat schnell ein Konzept abgeräumt, über das breit diskutiert worden wäre. Und er hat die Hoffnungsträgerin, die er zu Wahlkampfzwecken aus Berlin in ihre oberbayerische Heimat zurückgeholt hat, komplett düpiert.

Immer wieder hatte Seehofer von Aigner Vorschläge für die Energiewende angemahnt. Nun kam einer: Die Ökostromumlage sollte um 1,3 auf 4,9 Cent pro Kilowattstunde gesenkt und eingefroren werden. Eine Durchschnittsfamilie würde das derzeit um die 50 Euro im Jahr entlasten. Ebenso wäre der Wirtschaft geholfen, die über die hohen Strompreise klagt. Die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft lobte am Dienstag noch Aigners Vorstoß als hilfreich.

Seehofer ist für das Durcheinander und die bisherige Konzeptlosigkeit in Sachen Energiewende im Freistaat zum Teil selbst verantwortlich. Er hat im Berliner Koalitionsvertrag durchgesetzt, dass es einen bayerischen Sonderweg geben darf für den Abstand von Windrädern zu bewohnten Häusern. Einst sprach er von der zehnfachen Höhe der Windanlage – das wären zwei Kilometer, und damit würde der Ausbau der Windenergie in Bayern praktisch zum Erliegen kommen. Immer unklarer wird auch, woher die benötigte alternative Energie eigentlich kommen soll. Der Bund Naturschutz etwa warnt vor einer „Rolle rückwärts“ und befürchtet den Bau zusätzlicher Gaskraftwerke, um die auftretenden Stromlücken zu schließen.

Bei der SPD war man sich kurzzeitig nicht sicher, wie die Sache zu bewerten ist. Baden-Württembergs Wirtschaftsminister Nils Schmid wollte aber die Energiewende auf Pump nicht von vornherein ablehnen. „Aber ich bin ein bisschen vorsichtig.“ Im Groben stimme er Aigners Kalkulation zu, dass die Energiewende zunächst recht hohe Kosten verursache, die sich über die Jahre jedoch abschwächten, so Schmid. „Ich bin dafür, dass man es prüft.“

Fraglich ist Schmid zufolge aber, ob es vertretbar sei, „einen Teil der Einstiegskosten auf zukünftige Generationen zu verlagern“.