Gas ist sehr teuer geworden. Foto: IMAGO/Sven Simon/IMAGO/Malte Ossowski

Während des Ukraine-Krieges ging der Gaspreis in Europa steil nach oben. Inzwischen ist der Preis im Großhandel wieder gesunken. Was bedeutet dies für die Verbraucher?

Mit der Ausweitung der Ukraine-Krise in einen von Russland geführten Angriffskrieg gegen das osteuropäische Land sind die Energiemärkte in Turbulenzen. Weil Russland inzwischen als schwer einzuschätzender Gaslieferant gilt und für den Winter eine Energieknappheit drohte, kannten die Preise für Gas an den Börsen lange Zeit nur eine Richtung – nach oben.

Die Preissteigerungen waren teils so dramatisch, dass viele Experten und Energieversorger Alarm schlugen und ihre Kundinnen und Kunden vor teils drastischen Kostensteigerungen von mehreren hundert Prozent warnten. Die Abschlagszahlungen, also die Vorauszahlungen auf die zu erwartende Gesamtrechnungen sind bereits in den vergangenen Monaten meist spürbar angestiegen.

Nun allerdings die Kehrtwende: Der Gaspreis an Europas Märkten ist deutlich gesunken. Angesichts der drohenden Energieknappheit im anstehenden Winter ist das eine gute Nachricht - über die sich Verbraucher aber nicht zu früh freuen sollten. Ein Überblick über das Thema in Fragen und Antworten.

Wie hat sich der Gaspreis entwickelt?

Der Preis für eine Megawattstunde Erdgas kostete an der deutschen Energiebörse EEX zum Wochenbeginn weniger als 30 Euro. Einen Monat zuvor lag der Wert noch bei mehr als 200 Euro. Es geht um den Spot-Markt - also Gas, das man heute kauft und morgen bezieht. Bis Mitte 2021 lag der Spotmarkt-Preis in der Regel in der Preisspanne 10 bis 30 Euro.

Bei Terminkontrakten - also Verträgen mit garantiertem Preis für spätere Lieferungen - ging es in den vergangenen Wochen preislich ebenfalls bergab. Am niederländischen Handelspunkt TTF kostete ein auf den nächsten Monat ausgerichteter Terminkontrakt zuletzt weniger als 100 Euro und damit nur noch die Hälfte von vor einem Monat. Der TTF-Kontrakt gilt als Richtschnur für das europäische Preisniveau.

Was für Folgen hat die Gaspreis-Entwicklung für den Verbraucher?

„Für die Verbraucher bleibt es sehr teuer, der aktuelle Preisverfall am Markt hat für sie keine unmittelbaren Folgen“, sagt Matthis Brinkhaus vom Analysehaus Energy Brainpool. Die Versorger deckten sich für ihren Energiebedarf in der Regel größtenteils mit langfristigen Termingeschäften ein und nur zum kleinen Teil mit Einkäufen am kurzfristigen Spotmarkt.

„Selbst wenn mancher Versorger vor kurzem noch mit etwas höheren Einkaufspreisen gerechnet und jetzt etwas weniger zahlen muss, so fließt das erstmal in seine allgemeine Kostenkalkulation ein.“ Direkte Preissenkungen an die Kunden gebe es nicht, zumal die „Preisanpassungen“ üblicherweise nur einmal im Jahr durchgeführt werden, sagt Brinkhaus.

Nach den Worten von Wirtschaftsminister Robert Habeck ist der starke Rückgang bei den Großhandelspreisen für den Verbraucher erst mittelfristig eine gute Nachricht. Für die Märkte sei dies allerdings ein starkes Zeichen, sagt der Grünenpolitiker.

Was sind die Gründe für den Preisverfall am Großmarkt?

In den vergangenen Monaten hat eine Handelsfirma im Auftrag des Bundes im großen Stil Gas eingekauft, um die deutschen Speicher zu füllen. Die sind inzwischen zu 97,5 Prozent voll. Das ist ein Durchschnittswert, einige Speicher sind sogar schon zu 100 Prozent gefüllt. Die Nachfrage nach Gas zur Speicher-Befüllung hat sich deshalb stark abgeschwächt. Dass die Speicher so voll sind, liegt auch an der milden Witterung. Dadurch fällt es vielen Bürgern leicht, die Gasheizung noch auszulassen und ihr Energieverbrauch insgesamt ist niedriger als sonst im Herbst.

„Verbrauchsdaten der vergangenen Wochen haben gezeigt, dass die Bürger es ernst meinen mit dem Energiesparen“, sagt Georg Zachmann vom Thinktank Bruegel. Die Märkte hätten daraus die Schlussfolgerung gezogen, dass Europas Energiehunger im Winter doch nicht so groß sein könnte wie vorher angenommen.

Hat auch die Politik ihren Teil dazu beigetragen?

Wirtschaftsminister Habeck (Grüne) beantwortet die Frage mit einem klaren Ja. Er führt an, dass die Lager wegen politischer Vorgaben so voll sind und dass von der Politik angetrieben eine alternative Infrastruktur aufgebaut werde. Weitere Maßnahmen sind bereits angekündigt. So soll künftig zumindest ein Teil der Gasnachfrage in der EU gebündelt werden, um bessere Preise auszuhandeln.

Wie wird sich der Gaspreis in den kommenden Monaten entwickeln?

Ein spürbarer Preisanstieg ist wahrscheinlich. „Die aktuellen Preise am Spotmarkt sind nur eine Momentaufnahme“, sagt Energiefachmann Brinkhaus. „Wird es kälter, werden die Preise anziehen.“ Klar ist, dass sich die Speicher in den kommenden Wintermonaten leeren werden. Sinkt ihr Speicherstand schneller als erhofft, könnte der Gaspreis wieder durch die Decke gehen und sogar eine Gasmangellage ausgerufen werden.

Möglicherweise kommt Deutschland aber ohne Gas-Rationierungen für Firmen durch den Winter. Interessant ist, dass Terminkontrakte für garantierte Lieferungen in den ersten Monaten des Jahres 2023 derzeit etwa 140 Euro pro Megawattstunde kosten. „Der Markt erwartet, dass die strukturelle Knappheit weiter bestehen bleibt“, sagt Bruegel-Experte Zachmann.

Wie voll werden die Gasspeicher noch?

Technisch gesehen seien 100 Prozent möglich, sagt Sebastian Bleschke vom Gasspeicher-Verband Ines. Unter optimalen Bedingungen sind in manchen Anlagen sogar mehr als 100 Prozent Füllstand erreichbar. Der Verbands-Geschäftsführer weist aber darauf hin, dass die Befüllung stark witterungsabhängig sei. „Fällt die Temperatur im Tagesmittelwert auf sechs Grad oder weniger, wird die Nachfrage stark anziehen und es wird schwierig, weitere größere Mengen einzuspeichern.“