Dokument eines folgenschweren Geschäfts: Die Finanzkontrolleure des Landes haben auf 94 Seiten den EnBW-Deal untersucht. Foto: dpa

Rechnungshof rügt EnBW-Deal. Unklar bleibt, ob der Kaufpreis zu hoch war. Die Debatte geht weiter.

Stuttgart - Es gibt Gutachten von Behörden, die eignen sich als Einschlafhilfe. Es gibt aber auch Gutachten, die einem Sprengsatz gleichen. Letzteres trifft auf den Prüfbericht des Rechnungshofs zum EnBW-Deal zu. Seit Dienstagmorgen liegt die 94-seitige Expertise vor. Sie dürfte die ohnehin hitzige Diskussion um den Wiedereinstieg des Landes beim Energiekonzern weiter anfeuern. Monatelang hatte der Rechnungshof als oberste Finanzkontrollbehörde das Milliardengeschäft des früheren Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) vom Herbst 2010 untersucht.

Prüfbericht liest sich wie eine Anklageschrift

Die Prüfer kommen zu dem vernichtenden Ergebnis, dass das Verfahren „in wesentlichen Teilen nicht den Anforderungen genügt, die aus der Landesverfassung und der Landeshaushaltsordnung folgen“. Der Prüfbericht liest sich in der Tat wie eine Anklageschrift. Mappus habe bei dem Geschäft mit dem französischen Staatskonzern EdF „das wichtige Landesinteresse weder ausreichend geprüft noch überzeugend begründet“. Es habe gravierende Defizite bei der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung der EnBW-Anteile gegeben, eine entsprechende Prüfung (Due Dilligence) sei ausgeblieben. Dass die Investmentbank Morgan Stanley um ihren Chef und Mappus-Freund Dirk Notheis allein öffentlich zugängliche EnBW-Daten und die Fortschreibung der in fünf Jahren gezahlten Dividenden genutzt habe, um zu beurteilen, dass der Kaufpreis von knapp fünf Milliarden Euro gerechtfertigt war, „genügt nicht den Ansprüchen“ für ein Geschäft dieser Größenordnung. Wesentliche Risiken der Unternehmensentwicklung seien nicht berücksichtigt worden. Und der „ohne Not geschaffene Zeitdruck“ habe verhindert, dass das Geschäft „mit der gebotenen Sorgfalt vorbereitet“ wurde. Mappus, Notheis und ein kleiner Kreis an Vertrauten hatte den Wiedereinstieg des Landes bei der EnBW binnen weniger Tage unter dem Codenamen „Olympia“ vorbereitet und den Coup am 6. Dezember 2010 bekanntgegeben. Für einen dürfte der Rechnungshofbericht eine späte Genugtuung sein: Willi Stächele. „Der Ministerpräsident hätte den zuständigen Finanzminister rechtzeitig beteiligen müssen“, rügen die Prüfer, dass Mappus erst am Abend vor der Vertragsunterzeichnung seinen Finanzminister Stächele über das Milliardengeschäft informierte und ihn bat, dafür das Notbewilligungsrecht der Landesverfassung zu aktivieren – obwohl das in diesem Fall gar nicht zulässig gewesen sei. Deutliche Kritik gibt es auch zum Honorar, das Morgan Stanley erhielt. „Es ist zweifelhaft, ob das wirtschaftlich ist“, urteilen die Prüfer über die Zahlung von rund 18 Millionen Euro.

Die Reaktionen auf den Bericht folgten im Minutentakt

Überhaupt: die Berater. Es sei „nicht nachvollziehbar“, dass die Prüfung wichtiger Details zum Kaufvertrag „nicht durch die Experten der Ministerien, sondern durch eine externe Anwaltskanzlei“ erfolgt sei. Gemeint ist die Anwaltskanzlei Gleiss Lutz, die Mappus grünes Licht gegeben hatte, das Geschäft ohne Landtagsbeteiligung abzuschließen. Ein verheerender Fehler, den der Staatsgerichtshof später als Verfassungsbruch wertete und der Stächele – inzwischen Landtagspräsident – zum Rücktritt zwang. Ob das ganze Desaster vermeidbar gewesen wäre? „Das Verfahren litt unter Kommunikationsdefiziten“, so die Prüfer über die merkwürdige Informationspolitik zwischen Mappus, Notheis und der Kanzlei.

Die Reaktionen auf den Bericht folgten im Minutentakt. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) warf Mappus vor, „in keiner Weise verantwortlich gehandelt“ zu haben. Die Klage gegen die EdF vor der Internationalen Handelskammer in Paris, um einen Teil des Kaufpreises zurückzuerhalten, sei berechtigt. Bekanntlich wirft Grün-Rot der alten Regierung vor, zwei Milliarden Euro zu viel für die EnBW-Anteile bezahlt zu haben. Kretschmann ließ offen, ob man nun zivilrechtlich gegen Mappus und seine Berater vorgehe. Man werde den Prüfbericht „sorgfältig auswerten“, sagte er und fügte hinzu: „Die Landesregierung geht bisher nicht gegen Gleiss Lutz vor.“ SPD-Mann Andreas Stoch wertete das Prüfergebnis als ein „katastrophales Zeugnis“ für Mappus und Co.. Auch Uli Sckerl (Grüne) betonte: „Schallender kann eine Ohrfeige gar nicht sein.“

Morgan Stanley wies die Kritik des Rechnungshofs indes zurück. „Wir stehen zu unserer geleisteten Arbeit“, sagte eine Sprecherin in Frankfurt. Alle Schritte entsprächen „den hohen Maßstäben von Professionalität und Integrität, für die unser Unternehmen weltweit bekannt ist“. Volker Schebesta versuchte für die CDU zu retten, was zu retten ist. „Es ist bemerkenswert, dass der Rechnungshof die Angemessenheit des Kaufpreises offenlässt. Dass er den Kaufpreis nicht als zu hoch einschätzt, ist ein harter Schlag ins Kontor des Finanzministers“, meinte Schebesta und forderte Finanzminister Nils Schmid auf, die Klage gegen die EdF zurückzunehmen. Indes, die Aufforderung dürfte wenig ändern am wachsenden Ärger innerhalb der CDU über Mappus und Notheis. Ein Sprecher der Landespartei bestätigte am Dienstag, ein Parteimitglied habe die CDU-Spitze aufgefordert, beide zum Parteiaustritt zu bewegen.