Die Vorfällen in der Kaserne in Pfullendorf haben Konsequenzen für die Verantwortlichen. Foto: dpa

Schon öfter hatte die Bundeswehr ihre Not mit Gewaltexzessen in der Truppe. Diesmal betrifft es ausgerechnet ein Ausbildungszentrum für Elitekräfte. Nun soll „mit aller Härte“ durchgegriffen werden.

Berlin/Pfullendorf - Der Skandal um sexuelle Nötigung, Mobbing und Demütigungen in einer baden-württembergischen Kaserne hat Empörung und den Ruf nach massiven Konsequenzen für Verantwortliche ausgelöst. „Es betrifft etliche Soldaten und Vorgesetzte“, sagte der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels (SPD), der „Bild“-Zeitung (Samstag). „Es wird jetzt hart durchgegriffen.“

Ähnlich hatte sich zuvor Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) geäußert. Die Vorgänge in der Pfullendorfer Staufer-Kaserne bei Sigmaringen rufen auch den ranghöchsten Soldaten der Bundeswehr auf den Plan: Generalinspekteur Volker Wieker werde „in den nächsten Tagen“ in den Heeresstandort fahren, um sich die Vorgänge darstellen zu lassen, sagte ein Sprecher des Ministeriums am Samstag der dpa zu einem Bericht des Südwestrundfunks (SWR).

„Restbestände von einem Machoverhalten“

Bartels nannte die Vorfälle in Pfullendorf „absolut inakzeptabel“. Er sagte der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“, möglicherweise habe es dort „noch Restbestände von einem Machoverhalten“ gegeben. Bartels betonte: „Trainingsmethoden müssen immer mit der Menschenwürde vereinbar sein.“

Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Arnold, sagte dem SWR: „Da wurde offensichtlich die notwendige Härte in der Ausbildung mit menschenverachtender Dummheit verwechselt.“ Er selbst habe „vor einiger Zeit einen Standortbesuch in Pfullendorf gemacht. Ich war dort nicht sehr erwünscht, das hat mir schon zu denken gegeben.“ Er sei mit einem Gefühl gegangen, dass die Kaserne in keinem guten Zustand sei, sagte Arnold dem Sender.

In der Elite-Ausbildungskaserne gehen Bundeswehr und Justiz Hinweisen auf Gewaltexzesse und schwerwiegendes Fehlverhalten nach. Sieben Soldaten wurden vom Dienst suspendiert und sollen fristlos entlassen werden, zudem wurden mehrere Disziplinarverfahren und Versetzungen angeordnet. Zuerst hatte „Spiegel Online“ am Freitag über die Vorfälle berichtet.

Demnach gab es in Pfullendorf unter anderem „sexuell-sadistische Praktiken“ sowie Gewaltrituale. Von der Leyen reagierte empört: Die Vorgänge seien „abstoßend und (...) widerwärtig“. Generalinspekteur Wieker halte sie „auf dem Laufenden über den Fortgang der Untersuchungen“. Die Vorgänge würden „mit aller Härte aufgeklärt“, versicherte die Ministerin.

Staatsanwaltschaft in Hechingen eingeschaltet

Die Bundeswehr schaltete die Staatsanwaltschaft Hechingen ein und stellte Strafanzeige gegen mehrere Soldaten, wie ein Sprecher der Anklagebehörde am Freitagabend mitteilte. Es geht um den Verdacht der Freiheitsberaubung, der gefährlichen Körperverletzung, Gewaltdarstellung und Nötigung. Heeresinspekteur Jörg Vollmer erklärte: „Verstöße gegen die Innere Führung werden im Heer nicht geduldet und mit aller Konsequenz geahndet.“

Im Oktober 2016 wandte sich nach „Spiegel“-Informationen ein weiblicher Leutnant aus dem Sanitätsbereich an den Wehrbeauftragten Bartels und direkt an Ministerin von der Leyen. Die Frau habe beschrieben, dass sich Rekruten bei der Ausbildung vor den Kameraden nackt ausziehen mussten. „Vorgesetzte filmten mit, angeblich zu Ausbildungszwecken“, schrieb „Spiegel Online“. Die Rede sei auch von medizinisch unsinnigen, sexuell motivierten Übungen.

Das Pfullendorfer Zentrum schult nationale und internationale Spezialkräfte. Angeboten werden unter anderem Lehrgänge für Scharfschützen sowie Führungspersonal von Spezialkräften. Zudem werden die Soldaten etwa im Nahkampf trainiert oder auf das Überleben und Verhalten in Gefangenschaft oder in isolierter Lage vorbereitet.

Schon häufiger wurden Exzesse bei der Bundeswehr bekannt - zuletzt im Februar 2010 entwürdigende Aufnahmerituale der Gebirgsjäger im oberbayerischen Mittenwald. Neulinge in der Edelweiß-Kaserne mussten einen „Fuxtest“ über sich ergehen lassen, mit dem Essen roher Schweineleber und Alkoholkonsum bis zum Erbrechen. Nach Aussagen aus Mittenwald gingen damals beim Wehrbeauftragten Schreiben von Soldaten aus weiteren Kasernen ein, die von ähnlichen Praktiken berichten.