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E-Books gehört die Zukunft, meinen Experten. Bald soll es dafür mehr Inhalte geben.  

Frankfurt - Digitale Bücher sind das Medium derZukunft, meinen Experten. Bisher mangelt es allerdings an Inhalten, elektronische Lesegeräte sind kaum verbreitet. Das soll sich nach der diesjährigen Buchmesse ändern. Wer die neuen Leseformate dort auch finden will, sollte allerdings an einer Führung teilnehmen. An einem kleinen Stand in Halle 8 stehen Besucher und probieren die Zukunftstechnik aus. Gut ein Dutzend Lesegeräte - sogenannte E-Reader - sind hier aufgereiht, das kleinste passt in eine Hemdtasche, das größte in einen Rucksack. Statt umzublättern, drückt man beim elektronischen Lesen Knöpfe, nach einem Sekundenbruchteil wechselt der Text am Display. Zudem lassen sich per Knopfdruck die Schrift vergrößern und ein Wörterbuch einschalten, Musik abspielen oder bei einigen Modellen sogar das Internet anwählen. Theoretisch. In der Praxis hat mancher Bücherfreund in Frankfurt Probleme mit der Technik, manches Gerät reagiert gar nicht oder nur zögerlich, andere zeigen japanische Schriftzeichen oder kommen über die Startseite mit der Aufschrift "Sie haben 140 Bäume gerettet" nicht hinaus.

Ein E-Book-Experte könnte dieses Problem sicher leicht beheben. Die Anfangsschwierigkeiten einiger Messebesucher sind aber symptomatisch für die Rolle elektronischer Bücher in der Branche: Obwohl ihnen schon vor zwei Jahren ein Boom vorausgesagt wurde, trägt die elektronische Form bis heute weniger als ein Prozent zum Umsatz in der erzählenden Literatur (Belletristik) bei. In den Messehallen zeigen 67 Aussteller aus 13 Ländern Lösungen rund ums digitale Buch - insgesamt präsentieren sich in Frankfurt 7500 Aussteller aus 111 Ländern. Die Schuld an der geringen Nutzung von E-Books geben die deutschen Verlage gern den Anbietern der Lesegeräte: Weil es davon wenig Auswahl gebe, zögere man mit der Bereitstellung von Inhalten. Zudem sei die Umstellung aufs digitale Buch mit hohen Kosten verbunden - für die Umwandlung von Texten in Dateien sowie aufwendige Nachverhandlungen mit Autoren.

Ronald Schild kann den Vorwurf, die deutschen Verlage bremsten die Entwicklung, nicht mehr hören. Er ist Geschäftsführer des Marketing- und Verlagsservices des Buchhandels (MVB), also der Dienstleistungstochter des Verbands deutscher Verleger und Buchhändler (Börsenverein), die sich federführend um die Digitalisierung der Branche kümmert. Schild hat die Plattform Libreka ins Netz gestellt, 31418 E-Books können dort heruntergeladen werden. Angesichts von mehr als 1,2 Millionen lieferbaren Büchern klingt das lächerlich, doch Schild gelobt Besserung. "Jetzt haben wir Geräte mit Sex-Appeal", schwärmt er in Frankfurt, in wenigen Monaten sollen neun von zehn Belletristik-Neuerscheinungen darauf lesbar sein. Heute wird erst jedes dritte neue Buch in ein elektronisches Format übersetzt, "die kritische Masse an Titeln ist zurzeit noch nicht da", räumt der Manager ein. Auch nicht beim eigenen Portal Libreka: Unter den 31418 E-Book-Angeboten finden sich nur 3460 Belletristik-Titel.

Binnen Monaten haben sich die Preise für die Lesegeräte fast halbiert

Die Geschichte des E-Books erinnert bisher ein wenig an die des Elektroautos - Experten sind überzeugt davon, dass der Technik die Zukunft gehört, es gibt aber noch kaum Produkte. Allerdings spricht einiges dafür, dass Schild recht haben könnte und der Durchbruch kurz bevorsteht. Denn mit dem wachsenden Angebot an Lesegeräten ist deren Preis gesunken - der Weltbild-Verlag bietet derzeit ein Gerät für unter hundert Euro an. Das setzt die Konkurrenz unter Druck, die Preise sind in wenigen Monaten von mindestens 250 Euro auf circa 150 Euro im Schnitt gefallen. Der E-Reader-Pionier am deutschen Markt, der japanische Sony-Konzern, hat sein erstes Gerät vor anderthalb Jahren für 299 Euro verkauft. Heute kostet die neue Generation die Hälfte. Die Buchhandelskette Thalia bringt in Kürze ein Gerät für 139 Euro heraus, die Libri GmbH eines für 179 Euro. Während E-Reader aller Voraussicht nach noch billiger werden, erwartet Schild bei den Inhalten kaum noch Rabatt. "Es zeichnet sich der Trend ab, dass E-Book-Titel im Schnitt 20 Prozent billiger sind als das gedruckte Buch. Mit mehr rechne ich in den nächsten Jahren erst mal nicht."

Ob das potenziellen Kunden ausreicht, die sich daran gewöhnt haben, dass Inhalte im Internet meist kostenlos sind, wird sich zeigen. Jedoch ist Schild nicht der Einzige, der an den Erfolg von E-Books glaubt. Nach einer Umfrage des High-Tech-Verbands Bitkom erwägt mehr als die Hälfte der Deutschen, sich ein Lesegerät zuzulegen. Marktforscher der Beratungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers (PwC) prognostizieren für das elektronische Buch in der Belletristik bis 2015 einen Umsatzanteil von 6,3 Prozent, der Börsenverein des deutschen Buchhandels erwartet zehn Prozent. Fazit von PwC: "E-Books werden sich in Deutschland durchsetzen, wenn auch langsamer als in den USA." Dort verkauft der Online-Händler Amazon bereits mehr elektronische als gedruckte Bücher.

Auf elektronischem Weg können sich auch unbekannte Autoren einen Namen machen

Zeichen der Digitalisierung finden sich auch auf den Frankfurter Ständen. Das beginnt bei technischen Lösungen zum Formatieren und Herunterladen von Dokumenten und endet bei Plattformen, die Autoren eine Veröffentlichung ohne Verlag anbieten - elektronisch nämlich. Die Idee lockt längst Zehntausende: Auf dem deutschsprachigen Online-Literaturportal Bookrix tummeln sich 60000 Hobbyautoren und Leser, die kostenlos Werke einstellen und sich gegenseitig bewerten. "Das Publikum entscheidet selbst, was wirklich gut ist", erklärt Nils Later Messebesuchern das Erfolgsrezept des Netzwerks. Ähnlich geht der Web-2.0-Verlag Epidu vor: Online gestellte Bücher werden von einer Community drei Monate lang bewertet, eines der fünf Bestbenoteten wird verlegt und kann heruntergeladen werden.

Auch die Anbieter von Lesegeräten zeigen auf der Messe mehr als schwarze Bildschirme: Der taiwanesische Hersteller Aiptek bietet für 179 Euro ein E-Book für Kinder an, das Bilderbücher in Farbe darstellt und auf Wunsch gleich vorliest. Nebenan wirbt die US-Firma Entourage Systems für das "weltweit erste Dualbuch" - eine Kombination aus E-Lesegerät und Netbook mit unterschiedlichen Displays. Und Leser des jüngsten Buchs des Bestsellerautors Ken Follet werden seit Messestart vom Autor persönlich per Videobotschaft begrüßt - vorausgesetzt, sie lesen "Sturz der Titanen" auf Apples Tablet-PC iPad.

Solche Angebote verdeutlichen einen entscheidenden Trend des elektronischen Lesens: Die Konsumenten werden Bücher auf verschiedenen Geräten lesen - auf E-Readern, Notebooks, Smartphones und Tablet-PCs. Für all diese muss die Verlagsbranche künftig passende Inhalte liefern. Oder wie es der Reutlinger Marketing-Professor Tobias Schütz in Frankfurt sagt: "Um vom E-Book-Boom zu profitieren, reicht es nicht aus, das gedruckte Buch einfach eins zu eins in ein digitales Format zu übertragen."