Die Schüler sitzen gemeinsam im Stuhlkreis. Die 16-jährige Laura (im roten Pulli) erzählt, wie ihr Leben als Jüdin in Deutschland aussieht. Foto: privat

Beim Likrat-Projekt des Zentralrats der Juden in Deutschland berichten jüdische Jugendliche aus ihrem Alltag. Vor kurzem waren Lisa und Igal in der Eislinger Friedrich-Schiller-Gemeinschaftsschule zu Gast.

Eislingen - Eine ganz besondere Religionsstunde hatten kürzlich auf die Neuntklässler der Friedrich-Schiller-Gemeinschaftsschule in Eislingen. Sie bekamen Besuch von jüdischen Jugendlichen, die über ihren Alltag sprachen. Ziel der Begegnung im Rahmen des Programms mit dem Namen Likrat ist es, den Schülern einen unbefangenen Zugang zum Judentum zu ermöglichen.

Es wurde über koscheres Essen und Gebetszeiten ebenso gesprochen wie darüber, warum viele jüdische Familien in ihren Küchen zwei Sätze an Geschirr haben oder was es mit Jom Kippur auf sich hat. Das Versöhnungsfest ist der höchste jüdische Feiertag und wird meist im September oder Oktober begangen. „Es geht darum, dass man einen entspannten Umgang miteinander hat“, bringt Susanne Benizri das Ziel des Likrat-Projekts auf den Punkt. Sie ist Erziehungsreferentin der israelitischen Religionsgemeinschaft Baden.

Das Projekt soll Stereotypen entgegenwirken

Likrat ist hebräisch und bedeutet „auf einander zu“. Nur wenige Menschen haben persönlichen Kontakt zu jüdischen Nachbarn, Freunden oder Kollegen. In vielen Städten und Gemeinden ist das teils über Jahrhunderte bestehende jüdische Leben nach dem Holocaust bis heute erloschen. Eine der insgesamt vier Jugendlichen, die in Eislingen von ihrem Alltag berichteten, ist Laura. Sie ist 16 Jahre alt, kommt aus Mannheim und hat gerade die Mittlere Reife bestanden. Im kommenden Schuljahr möchte sie ein berufliches Gymnasium besuchen und in drei Jahren Abitur machen. Mit Laura gekommen ist der 23-jährige Student Igal aus Stuttgart.

Mit dem Likrat-Projekt soll auch der Verbreitung von Stereotypen entgegengewirkt werden, erläutert Susanne Benizri. So vermittelten beispielsweise Karikaturen in den Geschichtsbüchern aus der Zeit des Nationalsozialismus oder die Beschreibung der Juden als Geldverleiher im Mittelalter Stereotype, die sich irgendwann festsetzen könnte, warnt sie. Schätzungen zufolge wurden vor und während des zweiten Weltkrieges zwischen 5,6 und 6,3 Millionen europäische Juden ermordet. Aber Zahlen und Statistiken sind abstrakt.

Laura und Igal haben immer wieder mit Anfeindungen zu kämpfen

Weder Laura noch Igal haben nahe Verwandte im Holocaust verloren. Auch in Benizris Familie hat es keine Opfer gegeben. Was der Holocaust tatsächlich bedeute, das habe sie erstmals auf einer Hochzeit erfahren, als aus der Familie des Bräutigams fast niemand bei der Hochzeit dabei gewesen sei, erzählt die Referentin. Fast die ganze Familie des Schwagers sei ermordet worden.

Mit Anfeindungen haben Laura und Igal immer wieder zu kämpfen, wie sie berichten. Beiden tragen ein Kettchen mit einem Davidstern um den Hals, auf die Kippa, die traditionelle Kopfbedeckung für Männer, verzichtet Igal. Die meisten Menschen reagierten positiv, sagt Igal. Es gebe aber auch blöde Kommentare. Laura kann das bestätigen, sie habe in der Schule sowohl von Schülern als auch von Lehrern schon negative Sprüche zu hören bekommen. Sorgen bereiten den beiden jungen Leuten die sich verändernden politischen Verhältnisse in Deutschland. „Da läuft es mir kalt den Rücken runter“, sagt Igal mit ernstem Gesicht.

Für den Alltag gibt es viele Gebote

Im Alltag haben Juden, je nachdem wie streng sie ihre Glaubensvorschriften auslegen, eine Vielzahl an Geboten zu beachten. Die Schillerschüler interessierten sich insbesondere für die vielen und besonderen Essensvorschriften im Judentum. Eine der jüdischen Vorschriften besagt zum Beispiel, dass Milch- und Fleischprodukte nicht zusammen gegessen werden sollten, das Essen gilt sonst nicht als koscher. In der Praxis sind damit nicht-vegetarische Pizzen, Cheeseburger oder die Kombination von Butter mit Wurst verboten. Für Laura sind die Vorschriften allerdings kein Problem. „Ich bin Vegetarierin“, erklärt sie. Das Mischverbot von Milch und Fleisch ist auch der Grund dafür, weshalb es in vielen jüdischen Haushalten in der Küche alles zweimal gibt. Es gibt unterschiedliche Teller, Bestecke und Töpfe für Fleisch und Milchprodukte.

Aber Juden müssen nicht nur darauf achten, Milch und Fleisch nicht zusammen zu essen. Sie sollen auch kein Schwein oder Meeresfrüchte wie zum Beispiel Shrimps essen. „Das schränkt dich sehr ein. Aber wenn du es nicht anders gewohnt bist, kannst du es dir auch nicht mehr anders vorstellen“, erklärt Benizri.

An Sabbat sollte eigentlich nicht einmal Strom genutzt werden

Eine weitere wichtige Vorschrift, an die sich auch viele nicht besonders gläubige Juden halten, ist das Arbeitsverbot am Sabbat. Der jüdische Ruhetag dauert von Sonnenuntergang am Freitag bis zum Eintritt der Dunkelheit am folgenden Samstag. Das Verbot der Arbeit wird sehr weit gefasst. Im Grunde sind alle Tätigkeiten verboten, die in den Lauf der Dinge eingreifen und die äußere Umwelt beeinflussen. Es darf also kein Haushalt gemacht werden, kein Handy benutzt werden, und das Essen muss vorgekocht sein.

„Das ist schwierig“, gibt Laura besonders in Bezug auf das Handyverbot zu. Generell sollte kein Strom genutzt werden am Sabbat. Das kann manchmal schwierig werden, etwa wenn man in einen Bewegungsmelder für ein Licht läuft.