Im September 1953 haben Justine und Heinz Schulz im Stuttgarter Norden geheiratet. Nun feiern sie Eiserne Hochzeit und alle wollen wissen: Was ist das Geheimnis einer so langen Ehe?

Stuttgart - Justine Schulz ist fast 90 Jahre alt, ihr Mann Heinz hat die Marke schon überschritten. Doch an diesem Tag, so scheint es, gibt es für die zwei kaum einen ruhigen Moment. Es ist der Nachmittag des 5. September 2018. Das Wohnzimmer der Schulzens ist voll. Denn heute auf den Tag genau vor 65 Jahren haben die zwei im Stuttgarter Norden geheiratet. Darauf wollen viele mit ihnen anstoßen.

Tochter Petra ist da, der Schwiegersohn der Schulzens, zwei Journalisten und eine Dame vom Bezirksamt Zuffenhausen. Die Enkelin muss sich erst einen Hocker heranholen, um sich auch noch hinsetzen zu können. Heinz Schulz schenkt Sekt nach. Selbst der Ministerpräsident hat eine große Glückwunschkarte geschickt. „Ich hoffe, dass Sie ihren seltenen Ehrentag bei guter Gesundheit begehen können“, steht darin geschrieben.

65 Jahre Ehe – wie haben Justine, die von allen Christl genannt wird, und Heinz das geschafft? „Weil wir uns immer die Meinung gesagt haben“, antwortet Heinz Schulz. Wenn andere Paare behaupteten, sie würden nie streiten, „ist das verlogen“, sagt Christl. 1947 haben die zwei sich bei einer Tanzveranstaltung in einem kleinen Ort im Fränkischen kennengelernt. Heinz Schulz, geboren in Breslau, hat dort nach dem Krieg bei einem Bauern gearbeitet. Christls Familie wurde aus dem Sudetenland vertrieben und kam danach in das Dorf. In der Nacht, in der sie tanzen waren, hat Heinz Schulz kaum geschlafen. Schließlich musste er Christl anschließend noch nach Hause bringen. Alles andere stand außer Frage. Doch der Weg war weit: Je zwei Stunden Fußweg hin und zurück. „Ich kam nachts um drei Uhr heim und musste um fünf wieder aufstehen,“ sagt Heinz.

Jeder hatte sein Hoheitsgebiet

Drei Jahre, nachdem sie sich kennen gelernt hatten, kamen sie mit Justines Vater nach Stuttgart. Am 5. September 1953 heiratete das Paar in der St. Georg-Kirche in Stuttgart-Nord. In dieser Stadt eine Wohnung zu finden war in der Nachkriegszeit ähnlich schwer wie heute. Zunächst lebte das Paar bei Christls Vater, dann in einer Wohnung in Bad Cannstatt, ihrer ersten zu zweit. „Das war ein Fest“, sagt Heinz, „da war alles andere vergessen.“ 1959 klappte es dann mit einer 3-Zimmer-Wohnung in Rot. „Da wusste meine Tochter: Jetzt kann sie kommen“, sagt Christl Schulz. 1960 kam Petra zur Welt.

Viele Jahre lang waren die Rollen bei Familie Schulze klar verteilt. Heinz geht arbeiten, Christl kümmert sich um den Haushalt. „Jeder hatte sein Hoheitsgebiet, das war sicher auch ein Grund, warum es gut geklappt hat bei Oma und Opa“, sagt die Enkelin.

„Der Opa braucht Pril, der muss spülen“

Erst als Heinz Schulz viele Jahre später in den Ruhestand ginge, „habe ich ihn angelernt im Haushalt“, sagt Christl und lacht. Auch dann noch gab es klare Linien. Heinz’ Aufgabe war das Spülen. „Wir müssen Pril kaufen, das braucht der Opa, weil der spült“, sei ein beliebter Satz bei ihren Kindern gewesen, erinnert sich Tochter Petra. Nun sitzen die Schulzes auf dem Sofa und fragen sich, wie so eine Ehe heute laufen könnte. Für die Langlebigkeit der Beziehung habe die traditionelle Rollenverteilung sicher manches einfacher gemacht, glauben sie.

Ihr Hochzeitskleid hatte Christl selbst genäht. „Später habe ich es zerteilt und hellblau färben lassen bei einer Freundin, die in einer Färberei gearbeitet hat“, sagt die 89-Jährige. Aus dem hellblauen Stoff schneiderte sie ein Ballkleid. Sie und Heinz tanzten gerne bei Bällen im SI-Zentrum, arbeiteten gemeinsam in ihrem Garten in Fellbach, gingen auf Reisen.

„Wir wussten: Wenn wir zusammen halten, können wir unsere Ziele erreichen“, sagt Heinz. „Und das haben wir geschafft. Ich war ja ein armer Handwerker. Jetzt haben wir eine Wohnung.“

Mit Zeitschrift gewappnet ins Stadion

Auf die Frage, wie eine Beziehung so lange hält, antwortet Christl Schulz noch: „Wir machen halt einfach alles miteinander. So ist es mit allem.“ Sogar mit dem Fußball? Heinz ist Fan, Christl interessiert der Sport nicht. Doch ein Mal ging sie trotzdem mit ins Mercedes-Benz-Stadion. „Die Oma hat sich da dann aber lieber mit Sonnenbrille und Zeitschrift hingesetzt, statt das Spiel zu verfolgen“, verriet die Enkelin.

So blieben die Stadion-Besuche als Ausnahme eine Tätigkeit, der Heinz Schulz lieber ohne seine Frau nachging.