Romantik im Dienste der Wissenschaft: Volker Albrechts Labor im Synergiepark ist einzigartig in Deutschland. Foto: Caroline Holowiecki

In Volker Albrechts Labor herrscht das ganze Jahr über Weihnachtsstimmung. Für die Dekra testet er Grab-, Tee- und andere Lichter auf Herz und Nieren. Und aus eigener Erfahrung weiß er, wie gefährlich diese sein können.

Möhringen - Es herrscht eine festliche Stimmung an Volker Albrechts Arbeitsplatz. Der warme Duft von weichem Wachs steigt dem Besucher schon beim Eintreten in die Nase. Auf dem massiven Tisch in der Mitte des Raumes leuchtet ein prächtiges Lichtermeer. Flammen tanzen über einer ganzen Armee von Kerzen. Über dicke Stumpen und kleinen Teelichtern, über schlanken Leuchterkerzen, über Duftkerzen in Gläsern und Schwimmkerzen in einer Schale mit Wasser. „Bei mir ist immer Weihnachten“, sagt Volker Albrecht lächelnd. Der 47-Jährige ist Projektleiter der Abteilung Kerzenprüfung und Kerzenrohstoffe bei der Dekra in Stuttgart-Möhringen. Sein Job: Kerzen testen.

Und zu überprüfen gibt es genug. Wie stark setzt sich der Ruß an einer Glasscheibe ab? Tropft das Wachs auch nicht, brennt es gleichmäßig und mit heller Flamme ab? Stimmt die Brenndauer mit dem überein, was der Produzent angibt? Und was ist im Wachs eigentlich drin? Sprich: Entsprechen die Produkte, die kistenweise angeliefert werden oder auch Testkäufen entstammen, den Anforderungen der Norm RAL-GZ 041, die die „Gütegemeinschaft Kerzen“, ein Zusammenschluss von Herstellern, schon vor rund 20 Jahren als Standards festgelegt hat? So soll eine gelöschte Kerze nicht länger als 20 Sekunden nachqualmen. Objektive Kriterien. Wenn es nach Albrecht ginge, würde er auch subjektive zulassen. Denn Duftkerzen mag er gar nicht. Leiten lassen darf er sich von Vanille, Waldbeere und frischen Brisen aber nicht. „Ob ich einen Geruch sympathisch finde oder eine Abneigung habe, ist egal.“

„Feuer übt auf den Menschen eine magische Anziehungskraft aus“

Während seine Dekra-Kollegen im gemeinsamen Labor im Synergiepark Babyschnuller unter die Lupe nehmen, Scheibenreiniger und Müllbeutel untersuchen oder Autos unter die Haube schauen, gehen Volker Albrecht Jahr für Jahr etwa 2000 Lichter auf. „Die wenigsten erwarten wohl, dass in diesem Gebäude Kerzen getestet werden“, sagt er – tatsächlich spricht er vom einzigen Labor deutschlandweit, dass sich dem Thema in der Art widmet. „Die Gütegemeinschaft akzeptiert nur Berichte von mir“, sagt Volker Albrecht.

Knapp unter 24 Grad sind es im Labor, obwohl zwei große Kühlgeräte ackern. Ein Witzbold hat an die verrußte Tür mit dem Finger eine Kerze gemalt. Mindestens 30 Stück werden hier täglich und systematisch abgefackelt. Zwei bis vier Stunden am Vormittag, dann geht es nach einer Pause weiter. „Mein Tagesablauf ist durch die Kerzen bestimmt“, sagt der gelernte Agraringenieur. Viel auszumachen scheint es ihm nicht. Er schwärmt von einem simplen, aber faszinierenden Produkt. „Feuer übt auf den Menschen eine magische Anziehungskraft aus“, sagt Albrecht, und in der schnelllebigen Zeit stehe die Kerze für Tradition und Innehalten. Logisch, dass dem Familienvater keine LEDs an den Christbaum kommen. „Die echten Kerzen sind durch nichts zu ersetzen“, findet er.

Kerzen sind gefährlich

Volker Albrecht benutzt das Wort Genuss – nicht aber, ohne unmittelbar einen ganzen Monolog an Sicherheitshinweisen zu sprechen. „Kerzen sind gefährlich. Das ist offenes Feuer“, mahnt er. Unmittelbar in der Flamme herrschten 1200 bis 1600 Grad, „zehn Zentimeter drüber sind es immer noch mehrere Hundert Grad“. Er betont, dass Nadelzweige rasch austrockneten und rasend schnell in Flammen aufgingen. Gerade im Bezug auf Zugluft, Haustiere und Kinder müsse man sehr aufpassen. Er empfiehlt, stets einen Eimer mit Wasser oder eine Löschdecke griffbereit zu haben.

Volker Albrecht muss es wissen. Er ist ein gebranntes Kind. Eine sogenannte selbstlöschende Kerze habe in einem Test schon mal glanzvoll versagt und einen Adventskranz in Brand gesetzt, sodass das Dekra-Gebäude im Gewerbegebiet Vaihingen-Möhringen komplett evakuiert wurde. Volker Albrecht verzieht den Mund. „Ich wollte nur geschwind was in einem anderen Raum nachschauen. Aber diese zehn Minuten waren zu lang.“