Wolfgang Dieterich ist die dritte Generation einer echten Riedenberger Kaufmannsfamilie. Ende Oktober geht er in Rente. Foto: Caroline Holowiecki

Ende des Monats, mit inzwischen 70 Jahren, gibt Wolfgang Dieterich sein Lädle im Augustinum in Stuttgart-Riedenberg ab. Der Name Dieterich wird seit drei Generation mit dem Einzelhandel verbunden.

Riedenberg - Wolfgang Dieterich ist jüngst 70 geworden. Ein Senior. Aber auch ein Rentner? Das scheint ihm nicht geheuer zu sein. „Arbeiten war immer mein Hobby“, sagt er. Doch am Abend des 31. Oktober wird er zum letzten Mal seinen Laden in der Seniorenresidenz Augustinum zusperren und den Schlüssel weiterreichen. Und dann? Wolfgang Dieterich wirkt ratlos. „Ja, gute Frage.“

Nach fast 50 Namen wird sich der Name des Ladens ändern

Die Ära Dieterich reicht in Riedenberg weit zurück. Der Name ist im Ortsteil untrennbar mit dem Einzelhandel verbunden, und zwar durch den kleinen Markt im Altenheim und den größeren an der Ecke Schemppstraße und Feigenweg. „Meine Oma hat 1930 den Kiosk eröffnet“, erzählt Wolfgang Dieterich, quasi an der Stelle, wo der heutige Cap-Markt ist. Den übernahm sein Vater Karl in der Nachkriegszeit, und 1966 wurde neu gebaut. „Das alte Haus stand rechts, das neue links.“ Zweimal wurde der Laden erweitert, bis er jene 330 Quadratmeter hatte, auf denen heute noch verkauft wird. Der gelernte Einzelhandelskaufmann Wolfgang Dieterich ist Anfang der 1970er ins Geschäft des Vaters eingestiegen, und als dieser 1986 in Rente ging, führte der Sohn beide Läden mit 20 Mitarbeitern weiter. Erst mit 65 gab er den größeren Betrieb ab. „Man muss sehr froh sein, dass Cap übernommen hat“, sagt er. In der Branche zu bestehen, sei härter geworden. Sein Trost: „Ich weiß, dass der Laden weiterbestehen wird. Es gibt so viele Dörfer ohne Lebensmittelmarkt.“

Cap übernimmt nun auch den zweiten Dieterich-Laden. Nach Inventur und Umbau wird am 11. November die Neueröffnung gefeiert, nach fast 50 Jahren unter einem anderen Namen. Wolfgang Dieterich hat alle Daten im Kopf. Im September 1969 feierte das Augustinum demnach Richtfest, das Lädle wurde wenig später eröffnet – zunächst noch in einer Zwei-Zimmer-Wohnung, aus der heraus die Bauarbeiter mit Vesper und Getränken versorgt wurden. „Das war der Anfang. Da standen Regale, eine Kasse und ein Kühlschrank“, erzählt Wolfgang Dieterich. Mit der Zeit im Augstinum verbindet er viel Gutes. „Was ich vermissen werde, ist der Kontakt zu den Menschen.“

Langweilig wird es ihm sicher nicht

Doch jetzt ist Schluss. „Ich arbeite gern, aber man muss wissen, wann man aufhören muss.“ In seiner Stimme schwingt Wehmut mit. „Das ist im Prinzip mein Leben, wir sind eine kleine Familie“, sagt er über sich und seine fünf Mitarbeiter im Augustinum. Die meisten sind seit Jahrzehnten dabei. Heidi Mohrenhardt bringt es glatt auf 45 Jahre, den Großteil als Filialleiterin. Von vielen Bewohnern kenne sie noch die Eltern. „Meine Schwiegermutter war im Augustinum Etagendame und hat mich hier reingebracht“, sagt die Sielmingerin, die die meisten Kunden nur Frau Heidi nennen. Trotz ihrer 75 Jahre sagt sie: „Ich wäre noch geblieben. Das war immer meine Liebe hier“. Der Abschied sei schwer – manche Kunden weinten sogar.

Auch Wolfgang Dieterich sieht dem Ende seiner Karriere mit gemischten Gefühlen entgegen. Doch langweilig wird es ihm sicher nicht. Den örtlichen Obst- und Gartenbauverein führt er seit Jahren als kommissarischer Vorsitzender an, beim Skatclub Reizende Jungs engagiert sich das Gründungsmitglied auch. Reisen – „Zwei Kontinente fehlen noch“ – gehört ebenso zu seinen Hobbys wie das Filmen, außerdem wünscht er sich „einfach ein gesundes Leben mit meiner Frau“. Mit seiner Margaretha ist er mehr als 40 Jahre verheiratet, hat zwei erwachsene Töchter und eine kleine Enkelin. Zunächst aber muss Wolfgang Dieterich erst mal klar Schiff machen, seinen Lebensabschnitt als Kaufmann abschließen. Er schnauft. „Jetzt muss ich erst mal alles aufarbeiten.“