Katja Nguyen Thanh beim Einkauf auf dem Markt in Ludwigsburg. Die Tüten für Obst und Gemüse bringt sie selbst mit. Der Händler Eberhard Klotz füllt sie gern. Foto: factum/Weise

Der Ludwigsburger Wochenmarkt ohne Plastiktüten? – Eine Initiative setzt sich genau dafür ein. Die Mitglieder nähen dafür originelle Baumwollbeutel und wollen die Macht der Gewohnheit brechen. Dass es nun sogar einen Kongress gibt, passt perfekt.

Ludwigsburg - Wenn Katja Nguyen Thanh einkaufen geht, ist sie beim Verlassen des Hauses fast so voll bepackt wie beim Nach-Hause-Kommen. Sie hat eine zusammenklappbare Kiste dabei, einen Eierkarton, mehrere Jute- und Leinenbeutel und ihre kleine Edelstahldose. Natürlich, wenn sie heimkehrt, sind die Behältnisse befüllt und damit schwerer. Aber vergessen darf Katja Nguyen Thanh trotzdem nichts, weil sie ihre Einkäufe sonst nicht verstauen könnte. Und Plastik, so viel dürfte bereits klar sein, kommt Katja Nguyen Thanh nicht in die Tüte.

Die Gewohnheit soll besiegt werden

Die 31-Jährige ist die Initiatorin der Initiative „Ludwigsburg packt neu ein“. Wenn es so läuft wie sich die kleine Gruppe das wünscht, gibt es in absehbarer Zeit auf dem Ludwigsburger Wochenmarkt keine Plastiktüten mehr. Und wenn es richtig gut läuft, sind sie irgendwann auch aus allen anderen Geschäften in der Stadt verschwunden. Dass das nicht so einfach ist, wissen Katja Nguyen Thanh und ihre Mitstreiter. Allerdings, auch das haben sie gelernt, ist es nicht unmöglich. „Wir wollen die Wurzel der Gewohnheit im Alltag anpacken“, sagt Katja Nguyen Thanh, die bis heute nicht verstehen kann, dass das niemand vor ihr versucht hat.

Als Katja Nguyen Thanh vor fünf Jahren aus Berlin in den Süden zog, freute sie sich darüber, dass es in Ludwigsburg drei Markttage gibt. Das heißt, bequem dreimal pro Woche regional und saisonal einkaufen zu können. Dass die frischen Waren fast immer und überall in Plastiktüten verpackt werden, freute die Filmstudentin hingegen gar nicht. Und das in der Stadt, die 2014 zur nachhaltigsten ihrere Größe in Deutschlands gekürt wurde? Katja Nguyen Thanh suchte eine Art Anti-Plastik-Verein. Und als sie – wieder zu ihrem Erstaunen – keinen fand, hat sie, mit der Unterstützung der Stadt, eine Agendagruppe gegründet.

Warnung vor frei laufendem Gemüse

Auf sechs Mitglieder ist sie inzwischen gewachsen. Man findet ihren Stand bei diversen Veranstaltungen in der Stadt und bisweilen auf dem Wochenmarkt. Dass die Gruppe nicht durch Aufsehen erregende Aktionen auffällt oder durch provokante Forderungen, liegt an ihrer Philosophie: Nicht müssen, sondern wollen.

Die Ludwigsburger sollen selbst erkennen, dass es kein Hexenwerk ist, auf Plastiktüten zu verzichten. Um den Umstieg leichter zu machen, verschenkt die Agendagruppe an ihren Standtagen Baumwollbeutel, die sie selbst näht. Die meisten Händler, auch das sollen die Kunden merken, füllen ihre Ware anstandslos in mitgebrachte Behältnisse. Je mehr Kunden Kisten, Dosen oder Beutel mitbringen, desto anregender wirkt das im Idealfall. Und wenn auf den Beuteln, wie auf denen der Agendagruppe, auch noch Sprüche stehen wie „Vorsicht! Freilaufendes Obst & Gemüse“ oder „Lass Dich impfen gegen Plastik“, desto eher kommt man ins Gespräch. Und womöglich wirkt dieser quasi kleindosierte Umweltschutz nachhaltiger als marktschreierisches Getöse. „Jeder kann ein Vorbild sein“, sagt Katja Nguyen Thanh.

Der Ludwigsburger ist gefragt

Ist es nicht so, dass es in Cafés inzwischen wiederverwertbare Becher für den Coffee-To-Go gibt? Und dass Kunden in Geschäften leere Wasserflaschen gratis auffüllen können? Ende Februar eröffnet in der Lindenstraße sogar ein Unverpackt-Laden. All dies ist zwar nicht direkt das Verdienst der kleinen Agendagruppe. Aber wenn es darum geht, ein Bewusstsein für nachhaltige Verpackung zu schaffen, hängt indirekt natürlich alles mit allem zusammen. Dass am Freitag, 22. Februar, der Kongress „Plastikfreie Stadt“ in Ludwigsburg stattfindet, passt also ganz wunderbar.

Durch den Kongress könnten sich bereits aktive Ludwigsburger erstmals in großem Stil austauschen. „Das ist klasse“, sagt Katja Nguyen Thanh, die ihr Einsatz für die Umwelt auch schon hinter einen Marktstand geführt hat. Seither weiß sie, dass die dünnen Plastiktüten im Einkauf wahnsinnig günstig sind, und dass Verkäufer einfach daran gewöhnt sind, fix eine Kunststofftüte zu greifen und Obst und Gemüse darin zu verstauen. Es sei denn, der Kunde hat eine eigene Tasche dabei. „Das Zeichen für einen Plastikstopp setzt der Ludwigsburger“, hat Katja Nguyen Thanh gelernt.

Und vielleicht ist es nur eine Frage der Zeit, bis der Ludwigsburger das auch lernt.

Plattform gegen Kunststoffverpackungen

Event
Der Kongress „Plastikfreie Stadt“ am 22. Februar wird organisiert vom Filmfestival Natur Vision und der Plattform Renn.süd. Von 9.30 bis 17 Uhr können sich Experten, Vertreter von Kommunen, Unternehmen, Initiativen und andere Engagierte in der Musikhalle Erfahrungen austauschen. Alle Infos zum Kongress
unter: www.renn-netzwerk.de/sued

Ablauf
Am Vormittag stehen Vorträge und eine Podiumsdiskussion auf dem Programm. Am Nachmittag finden Workshops statt, in denen erfolgreiche Einzelbeispiele vorgestellt werden. Eine Anmeldung ist bis zu diesem Mittwoch möglich: sued@renn-netzwerk.de

Film
Am Sonntag, 17. Februar, zeigt Natur Vision im Kino Central in der Arsenalstraße 4 die Dokumentation „Plastic Planet“. Der Film beginnt um 11 Uhr, Karten kosten sechs Euro.