Lena Schlotterbeck vom Verein (links) und Maria Fodor, Leiterin der Obstabteilung bei Edeka in Filderstadt-Bonlanden Foto: Caroline Holowiecki

Um die heimischen Streuobstwiesen zu retten, werden über einen Verein in 15 Supermärkten in der Region alte Apfelsorten verkauft, unter anderem in Bonlanden und Waldenbuch. Wie läuft das Experiment?

Bonlanden/Waldenbuch - Maria Fodor wirkt leicht nervös. Die Leiterin der Obst- und Gemüseabteilung im Edeka-Center in Bonlanden braucht dringend Äpfel. Und zwar genau die von den heimischen Streuobstwiesen. „Die Leute rufen mich an, sie sind verrückt danach“, sagt sie. Neben den Klassikern wie Pink Lady oder Elstar hatte sie jüngst was Neues anzubieten. Besser gesagt: etwas Altes, nämlich Äpfel der Sorte Jakob Fischer. Die Grünen mit den roten Backen sind eine von 16 alten Kultursorten direkt aus der Region, die heuer wieder im Einkaufswagen landen. Nicht flächendeckend, sondern als Experiment.

Initiiert hat das der Verein Schwäbisches Streuobstparadies mit Sitz in Bad Urach. Ziel: Streuobstwiesen als Kulturgut bewahren. Über Kooperationen mit Händlern in der Region sollen neue Vertriebswege für Obstbauern erschlossen werden, und das eingenommene Geld soll wieder in die Stückle investiert werden. Denn um die ist es gar nicht gut bestellt. Viele verwildern, das Obst vergammelt. Eine Studie der Universität Hohenheim besagt, dass in 30 Jahren nicht mehr viel von den heimischen Streuobstwiesen übrig sein könnte, wenn die Pflege weiterhin vernachlässigt wird.

Die ersten Kisten waren nach nur einem Tag leer

Hier setzt der Verein an. In diesem Jahr kooperiert er mit mehr als 30 Obstbauern. Die liefern ihre alten Apfelsorten und bekommen pro Kilo einen Euro; das 14-Fache wie bei der Vermarktung als Mostobst. 15 Supermärkte in sechs Landkreisen konnte der Verein als Abnehmer gewinnen. Und schon jetzt steht bei Edeka in Bonlanden fest: Das Ganze ist ein Erfolg. Die ersten fünf Jakob-Fischer-Kisten, beworben mit einem Aufsteller und Infomaterial, waren nach einem Tag leer, sagt Maria Fodor. Lena Schlotterbeck, die Projektleiterin bei Schwäbisches Streuobstparadies, ist überwältigt, „weil wir überhaupt nicht abschätzen konnten, wie es läuft“. Neue Lieferanten und Läden hätten bereits Interesse bekundet, „wir müssen sie vertrösten auf nächstes Jahr“, sagt sie.

Hans Hacker hat Glück. Bei ihm liegen Jakob Fischer und Co. bereits im Regal. Der Waldenbucher betreibt in seinem Heimatort sowie an drei weiteren Standorten Edeka-Filialen, „und in allen vier Märkten sind die alten Sorten jetzt vorrätig“. Bis in den Herbst wird es wechselnde Arten geben. Doch ein Wagnis ist das für den 60-jährigen Kaufmann nicht. Schon in der Vergangenheit habe er immer wieder alte Apfelsorten auf dem Großmarkt gekauft. „Ich bin schon lang im Geschäft. In den 70ern und 80ern waren sie gang und gäbe und sind dann abgelöst worden.“

Viele ältere Kunden kennen die Sorten von früher

Auch in Waldenbuch kommt das Obst, das von Wiesen in einem Radius von 20 Kilometern stammt, bestens an, selbst wenn nicht alle Äpfel gleichmäßig rund sind. „Die älteren Kunden kennen die und freuen sich, die sind gut zum Kuchenbacken“, sagt Hans Hacker, und etwas Nostalgie sei wohl auch dabei. Hinzu kommt: Regionalität liegt im Trend. Kunden achten zunehmend auf einen nachhaltigen Anbau und kurze Wege. Alles in allem steht für den Ladenbesitzer jetzt schon fest: Wenn das Projekt fortgesetzt wird, ist er 2021 wieder dabei.

Derweil sitzt Maria Fodor in Bonlanden auf heißen Kohlen. Mitte, Ende September soll endlich Nachschub kommen. „So viel es geht“, hat sie geordert. Kaiser Wilhelm und Goldparmäne hängen allerdings noch an den Bäumen. „Die sind noch nicht so weit“, sagt Lena Schlotterbeck. Auch das gehöre zum Obsttheken-Experiment dazu: warten, bis die Früchte erntereif sind. „So ist die Natur.“