Securpharm heißt das neue System: Rezeptpflichtige Arzneimittel bekommen zwei zusätzliche Sicherheitsmerkmale. Foto: ABDA Bundesvgg. Dt. Apothekerver

Mit Arznei wird viel Geld verdient, das lockt Fälscher an. Um Patienten vor Produktfälschungen zu schützen, bekommen verschreibungspflichtige Medikamentenpackungen jetzt zusätzliche Sicherheitsmerkmale.

Brüssel - Ein neues System schützt EU-weit Apotheken-Kunden vor gefälschten Medikamenten. Vor der Abgabe jeder einzelnen Packung durch den Apotheker an den Verbraucher wird künftig per digitaler Abfrage über eine Datenbank sichergestellt, dass es sich um keine Fälschung handelt. Das Europäische System zur Überprüfung der Echtheit von Medikamenten (EMVS) ist weltweit einmalig, weil es auch länderübergreifend arbeitet.

Wie funktioniert das System?

Alle Apotheken in der EU wurden mit Scannern ausgerüstet. Alle Medikamente-Packungen sind künftig mit einem Aufkleber und einem Barcode versehen. Jede Schachtel bekommt eine Seriennummer. Jede Packung ist mit dem Aufkleber versiegelt. Der Barcode gilt damit als fälschungssicher. Bevor das Medikament über den Tresen an den Kunden geht, muss der Apotheker den Barcode scannen. Wenn das Präparat nicht registriert ist, ist dies ein Hinweis auf eine Fälschung. Der Apotheker darf es dann nicht an den Kunden herausgeben. Der Fall würde dann von der Organisation zur Überprüfung der Richtigkeit von Medikamenten (EMVO) weiterverfolgt.

Bei welchen Käufen ist die Echtheit garantiert?

Das System arbeitet EU-weit, auch die Schweiz und Norwegen sind einbezogen. Das System ist Pflicht für alle verschreibungspflichtigen Medikamente. Auf allen legalen Vertriebswegen von Medikamenten in der EU gewährt das System Schutz: also beim Kauf in Internet-Apotheken sowie bei der Abgabe in allen stationären Apotheken sowie Krankenhausapotheken. Es greift auch bei Ärzten, die Medikamente herausgeben dürfen. Damit eine lückenlose Kontrolle gewährleistet ist, sind 2000 Pharma-Hersteller, 6000 Großhändler, 140 000 Apotheken, 5000 Krankenhausapotheken sowie 2000 niedergelassene Ärzte, die Medikamente heraus geben dürfen, in das Kontrollsystem eingebunden.

Was ist mit dem Internethandel?

Offizielle Online-Apotheken bieten den gleichen Schutz gegen gefälschte Medikamente wie alle anderen Apotheken auch. Keinen Schutz haben Verbraucher dagegen, wenn sie auf dem Schwarzmarkt Medikamente beziehen. Wer über dubiose Adressen im Internet und bei Onlinehändlern mit Sitz außerhalb der EU Medikamente kauft, läuft Gefahr, betrogen zu werden.

Ist der Schutz in der EU flächendeckend?

In Italien und in Griechenland wird das System erst später starten. Italien, Griechenland und Belgien sind die drei Länder in der EU, die bereits über ein Kontrollsystem zum Schutz gegen gefälschte Medikamente verfügen. Es wurde vereinbart, dass diese Länder erst nach einer Übergangsphase von sechs Jahren mitmachen müssen. Belgien hat sich aber entschieden, von Anfang an dabei zu sein.

Wer hat dafür gesorgt, dass das System eingeführt wird?

Die EU hat 2011 eine Richtlinie zum Schutz gegen gefälschte Arzneimittel (FMD) verabschiedet. Damit war klar, dass ein System zum Fälschungsschutz aufgebaut werden muss. Dann haben Pharma-Industrie und Apotheken 2015 die Europäische Organisation zur Überprüfung der Echtheit von Medikamenten (EMVO) gegründet. EMVO-Chef Hugh Pullen hebt hervor: „Die einzigartige Zusammenarbeit auf der gesamten Vertriebskette, also von Herstellern über den Großhandel bis zur Apotheke, ist die Voraussetzung für das Funktionieren unseres Systems.“

Wer trägt die Kosten?

Der Aufbau des Systems hat rund 100 Millionen Euro gekostet. Die Entwicklungskosten wurden von der Pharmaindustrie und den Importeuren bezahlt. Großhändler und Apotheken zahlen für die Scanner und den Betrieb. Die Betreiber stellen heraus: „Es wurden keine Steuerzahlergelder benutzt, um die Sicherheit der Medizinprodukte zu erhöhen.“

Was weiß man über gefälschte Medikamente?

Die meisten gefälschten Medikamente tauchen in Afrika, Asien und Lateinamerika auf. Doch auch in Europa sind Patienten davor nicht sicher. So haben die Behörden in der EU zwischen 2013 und 2017 rund 400 gefälschte Medizin-Produkte und Medikamente registriert, die hier in den Verkehr gebracht werden sollten. Am häufigsten gelangen gefälschte Medikamente über illegale Internetverkäufe nach Europa. Aber auch auf den legalen Vertriebswegen, also über lizenzierte Online-Apotheken, Apotheken in Krankenhäusern und Apotheken in den Städten und Dörfern, wurden bereits gefälschte Medikamente entdeckt.

Die Kommission schätzt, dass 0,005 Prozent der Medikamentenpackungen, die über die legalen Vertriebswege in der EU verkauft werden, gefälscht sind. Vielfach werden gefälschte Präparate außerhalb der EU hergestellt. Massenware wie etwa Viagra oder Aspirin sind betroffen. Es wurden aber auch gefälschte Mittel sichergestellt, die bei gravierenden Erkrankungen wie etwa Schizophrenie oder Herzschädigungen helfen sollen. Gefälschte Medikamente können gar keine Wirkstoffe oder zu wenige Wirkstoffe enthalten. Möglich ist auch, dass sie gefährliche Wirkstoffe enthalten. Es ist nicht bekannt, wie viele Patienten in der EU durch gefälschte Medikamente geschädigt werden.