Im Jahr 1983 warb Wolfgang Dorsch mit Elefanten, die er von einem Zirkus ausgeliehen hatte, für den Bahnhof in Geislingen. Foto: privat

Manchmal schämt sich Wolfgang Dorsch für die Unpünktlichkeit der Bahn. Zu seiner Zeit habe es solche Zustände nicht gegeben, ist in seinem Buch zu lesen.

Geislingen - Er ist ganz schön rumgekommen. Geboren 1934 in Friedrichshafen am Bodensee, führte Wolfgang Dorsch (85), der heute in Gingen lebt, zuerst der Zweite Weltkrieg und später sein Beruf als Bahnhofsvorsteher an zahlreiche Stationen in ganz Baden-Württemberg. Seine Geschichte hat der Autor in dem 521-seitigen Roman „Großvater Hohenstein schaut zurück“ niedergeschrieben. Zu lesen ist darin unter anderem auch, was für kuriose Geschichten er unter dem Pseudonym Walter Hohenstein an „seinen“ Bahnhöfen im Ländle so erlebt hat.

Aufregung um angebliche Sprengsätze

Da war zum Beispiel die große Aufregung um einige verdächtig nach Sprengsätzen aussehende Päckchen. Am frühen Morgen hätten Anwohner die Pakete an einer Eisenbahnbrücke bei Meckenbeuren (Bodenseekreis) entdeckt, erzählt Dorsch. „Es war die Zeit des RAF-Terrorismus. Man hat sofort die Gleise gesperrt“, erinnert sich Dorsch an das Ende der 60er Jahre, als er Bahnhofsvorsteher in Meckenbeuren war. Es stellte sich jedoch heraus, dass die Päckchen an der Brücke vergessene Sprengattrappen der Bundeswehr waren, die in der Nacht zuvor in dem Gebiet geübt hatte.

Dank der Elefanten-Idee zum Manager des Jahres gekürt

In Geislingen wurde 1983 ein halbes Jahrhundert elektrischer Zugbetrieb gefeiert. Die Bahn hatte während dieser Zeit mit Elefanten für ein „dickes Angebot“ geworben. Dorsch griff die Idee auf und organisierte für das Jubiläumswochenende Elefanten eines in Kirchheim/Teck gastierenden Zirkus, die mit Werbeplakaten durch Geislingen marschierten. 500 D-Mark habe der Auftritt gekostet. Angereist sind die Dickhäuter – natürlich – mit der Bahn. Im selben Jahr wurde er unter anderem wegen dieser Aktion zum Manager des Jahres bei der Bahn ernannt.

Dass er überhaupt zur Bahn gegangen ist, bezeichnet Dorsch als Zufall. Sein Vater habe bei der Bahn gearbeitet und ihn auf eine offene Stelle aufmerksam gemacht. „Es war ein einfacher Dienst“, erinnert sich Dorsch an seine ersten Berufsjahre. Er habe als Bahnunterhaltungsarbeiter beispielsweise Gleise ausgebessert. Die Arbeit sei stumpf und körperlich anstrengend gewesen. Letzteres sei ihm allerdings bei seinen Wettkämpfen als Leichtathlet zugutegekommen. „Dadurch war ich immer fit.“

Einsamkeit in der Landeshauptstadt

Nach der Ausbildung ging Dorsch auf die Eisenbahnfachschule nach Ulm, anschließend wurde er in den mittleren Beamtendienst übernommen. Er war fortan Fahrdienstleiter und für die Kartenausgabe und die Güterabfertigung zuständig. Ab 1953 war er Aufsichtsbeamter am Bahnsteig in Stuttgart und für sechs Gleise zuständig. Glücklich war er in der Landeshauptstadt aber nicht. „Ich war alleine in der Großstadt. Ich wollte zurück an den Bodensee.“ Zunächst führte ihn sein Dienstherr nach Bad Wurzach (Kreis Ravensburg), Kressbronn und Meckenbeuren (beides Bodenseekreis), wo er nach seiner Ausbildung für den gehobenen Dienst von 1965 an als Bahnhofsvorsteher arbeitete. Später kam er nach Friedrichshafen, Geislingen (1981 bis 1985) und Göppingen ab 1989, bevor er 1995 in den Ruhestand ging. Geislingen kannte Dorsch bereits von seinen Großeltern, bei denen er als Kind während des Krieges längere Zeit verbrachte.

Im Sommer will Dorsch einen Roman veröffentlichen

„Großvater Hohenstein schaut zurück“ ist nicht das erste Buch von Wolfgang Dorsch, der das Schreiben erst vor wenigen Jahren für sich entdeckt hat. Angefangen mit dem Verfassen von Büchern hat er, nachdem seine Frau Inge an Krebs gestorben war. „Als Inge ging“ erschien im Jahr 2015 und ist das erste Werk des Autors. Ein weiteres Buch stehe kurz vor der Fertigstellung, verrät Dorsch. Im Sommer erscheine der Roman „Der letzte Schuss“. „Es passiert ein Mord, der so noch nie passiert ist“, verrät der Schriftsteller mit einem schelmischen Grinsen.

Manchmal schämt er sich für die Unpünktlichkeit der Bahn

Die Veränderungen bei der Bahn, insbesondere seitdem sie von einem Staatsbetrieb in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde, sieht Dorsch kritisch. „Es wurde alles zerschlagen und die Bahnhofsvorsteher wurden in die Wüste geschickt.“ Seitdem funktioniere auch nichts mehr bei der Bahn. Züge seien in Massen verspätet oder fielen gar ganz aus. „Jede Woche liest man etwas über die Unpünktlichkeit der Bahn in der Presse. Zu meiner Zeit hat es so etwas nicht gegeben.“ Es tue ihm leid, was aus dem Unternehmen geworden sei. Mehr noch: „Ich schäme mich manchmal, wenn ein Gespräch darauf kommt, dass ich Eisenbahner war.“ Früher habe sich der Bahnhofsvorsteher mit seinem Team rund um die Uhr verantwortlich für „seinen“ Bahnhof gefühlt. Aber das, so schließt der Ruheständler, sei nun schon lange her.