Coldplay hält den Spagat zwischen Freundesclique und globalem Mega-Act aus: Guy Berryman, Chris Martin, Will Champion, Jonny Buckland (v. li.) Foto: James Marcus Haney

Arte zeigt einen Konzertfilm aus dem Jahr 2012 mit Coldplay – und zuvor ein intimes, spannendes Porträt der britischen Band. Der Filmemacher ist ein Freund der Jungs und war von Anfang an mit der Kamera dabei – noch bevor es auch nur den Namen Coldplay gab.

Stuttgart - Zu echt, um wahr zu sein: Als die britische Band Coldplay 2000 ihren Durchbruch erlebte, witterten Skeptiker einen Marketing-Coup. Diese Freundesclique vom University College London, diese vier ganz unterschiedlichen Typen, die auf der Bühne und im Studio so viel Spaß miteinander hatten, waren einfach ein zu perfekter Versuch, dem Rock wieder Glaubwürdigkeit, Bodenhaftung, Herz und Seele zu geben. Coldplay konnte nur von kaltäugigen Produzenten, glibberigen Marketingfuzzies und windigen Ausstattern als Castingband zusammengebastelt worden sein.

Die Verschwörungstheorie war Quatsch. Chris Martin, Jonny Buckland, Guy Berryman und Will Champion waren tatsächlich Freunde, und sie haben sich hochgearbeitet, ohne Kontakte in die Musikindustrie. Ihr Manager Phil Harvey, den sie den fünften Mann der Band nannten, war ebenfalls kein Profi, sondern noch ein alter Freund, der wie die Musiker anfangs immer gerade das improvisieren musste, was die nächste Chance ihm abverlangen würde. 20 Jahre nach ihrem ersten Megahit „Yellow“ sind Coldplay immer noch eine der großen Marken der Musikwelt, und gerade deshalb ist es schön, dass der Porträtfilm „Coldplay – A Head full of Dreams“ von Mat Whitecross, den Arte an diesem Freitag direkt vor Paul Dugdales Konzertfilm „Coldplay 2012 live“ zeigt, die Anfänge nachzeichnet.

Was jede böse Rockmär erzählt

Filme über Bands stehen und fallen auch mit dem Grad ihres Zugangs zum Leben hinter der Bühne. Näher als Mat Whitecross kann man einem Popphänomen gar nicht kommen. Der Filmemacher war schon dabei, bevor Coldplay auch nur ihren Namen hatten. Er ist ein weiterer Freund, und die ältesten Bilder hier sind nicht mit dem Gedanken aufgenommen worden, Musikgeschichte zu dokumentieren oder ein Markenimage zu schönen. Die Jungs blödeln herum, genießen den Augenblick, die große Hoffnung, es könne noch ein bisschen weitergehen – und die Bilder scheinen eher dafür da, ein paar Jahre später, wenn der Traum geplatzt sein wird, ein paar Erinnerungsmomente zu liefern, wie das war damals, als man auch ein bisschen Musik gemacht hat. Und in die Amateurkamera gejauchzt hat: „Wir werden ganz groß rauskommen“.

Dass die Kamera als Auge eines Freundes wahrgenommen wird, nicht als Spionagesonde, ermöglicht Dabeisein, wo anderen die Tür gewiesen würde. In Whitecross’ freundlichem Film über eine nette Band erlebt man jene Momente mit, von denen jede böse Rockmär erzählt: den Rausch des Ruhms, den Druck des Liefernmüssens, das Nachgeben unter Erwartungen und Schmeicheleien, das Wachsen der Spannungen, die Krisen der Freundschaft. Als später nicht einmal diese Kamera mehr dabei sein darf, erzählt das mehr als Bildschnipsel einer Keiferei, wie nahe am Zerbrechen Coldplay da war, wie weit weg von den alten Idealen.

Auch für Nichtfans sehr geeignet

Aus diesem Tal aber hat sich Coldplay herausgearbeitet. Ganz am Anfang haben die anderen gemerkt, dass die Band ohne den Drummer Will Champion, auch wenn der spieltechnisch erst mal aufholen musste, nicht dieselbe ist. Später ging Phil Harvey, aber auch er kehrte zurück. Und wenn die Band heute sagt, ihr technisches Team sei seit langem dabei und auch diese Leute seien ein wichtiger Teil von Coldplay, dann klingt das nicht geheuchelt.

„A Head full of Dreams“ ist ein erhebend anzuschauender Film – sogar für Menschen, bei denen sonst nie ein Coldplay-Song in der Playlist auftaucht. Es ist ein Film über Freundschaft, beziehungsweise: über deren Rettbarkeit.

Ausstrahlung: Freitag, 21. August 2020, 21.45 Uhr, Konzertfilm ab 23.20 Uhr. Das Porträt ist online in der Mediathek bis 20. Oktober 2020 abrufbar, der Konzertfilm bis 19. November 2020. Der Streamingservice Amazon Prime Video hat „Coldplay – a Head full of Dreams“ ebenfalls im Programm.