Shanthi und Uli Schwinge vor einer Auswahl ihres Verlagsprogramms. Foto: Marta Popowska

Im einem Keller am Botnanger Waldrand entstehen Künstlerbücher fernab des Massengeschmacks. Mit seinem Verlag Edition Randgruppe setzt Uli Schwinge auf Kleinauflagen und Projekte aus Stuttgart. Ein Traumberuf, der jedoch nicht ohne zweites Standbein möglich ist.

Botnang - Künstlerbücher verlegen und Projekte umsetzen, die einen persönlich begeistern: im Keller eines Wohnhauses am Waldrand in Botnang macht Uli Schwinge genau das. Gemeinsam mit seiner Frau Shanthi betreibt er seit 2010 den Verlag Edition Randgruppe – und der Name verrät schon etwas über das Konzept. Uli Schwinge verlegt Künstlerbücher in kleiner, exklusiver Auflage, etwas für Liebhaber und Schätzer von Publikationen abseits des Mainstreams, die nicht bei Amazon und Co. erhältlich sind.

Ein Einfamilienhaus zwischen Einfamilienhäusern in Botnangs Höhenlage nahe des Schwarzwildparks. Erst der Blick auf das Klingelschild verrät, dass man richtig ist. Der Weg zu einem Verlag, der zuletzt ein umfangreiches Buch zu den Anfängen der Stuttgarter Punkszene veröffentlicht hat, führt durch einen kleinbürgerlichen Vorgarten, hinein ins traute Heim, in dem Shanthi und Uli Schwinge mit ihren drei Kindern leben. Über eine Treppe geht es hinab in den Keller, wo die beiden Enddreißiger arbeiten. Auf zwei Ebenen herrscht hippe Gemütlichkeit. Oben aufgeräumte Arbeitsplätze und ein Wandregal, in dem sich Buchveröffentlichungen reihen. Unten eine Sitzgruppe, Musikanlage und ein noch größeres Regal, das bis unter die Decke reicht und mit noch mehr Büchern gefüllt ist. In Kartons lagern die letzten Ausgaben des jüngsten Coups Schwinges „Wie der Punk nach Stuttgart kam und wo er hinging“, ein Projekt, das zuletzt über Stuttgarts Grenzen hinaus Bekanntheit erreicht hatte.

Traumberuf mit zweitem Standbein

„Simon Steiner kam auf uns zu und sagte, er will ein Buch über Punk in Stuttgart veröffentlichen“, sagt Schwinge. Steiner, ein Historiker und Musiker, hatte so viel Material gesammelt, dass Uli Schwinge gleich klar war: da müsse man mehr daraus machen. „Ein Taschenbuch mit Erinnerungen Stuttgarter Punker hätte keinen interessiert, es wäre auch eine lokale Kopie der Bücher gewesen, die es bereits über den englischen, amerikanischen und eben auch deutschen Punk gibt.“ Schwinge sah mehr Potenzial in dem Projekt und konzipierte eine umfangreiche Publikation und CD, die die Stuttgarter Punk- und Wave-Szene von 1977 bis 1983 beleuchtet. Eine dazugehörige Ausstellung fand im September im Württembergischen Kunstverein statt. Es wurde ein Herzensprojekt für ihn.

Ein Traumberuf würden viele sagen, doch mit einer Antwort zögert er einen Moment. Mit Künstlerbüchern in Kleinauflage sei kein Geld zu verdienen. Das Punk-Projekt wurde nur mit Ach und Krach durch eine Crowdfunding-Aktion finanziert. „Der Verlag ist nur möglich, weil wir andere Standbeine haben.“ Mit seinem 2004 gegründeten Büro für Gestaltung namens „Randgruppe“ erarbeitet der Diplom Kommunikationsdesigner vor allem für Kunden aus dem kulturellen Bereich Print- und Online-Materialien und konzipiert und realisiert Ausstellungen. Und doch ist es etwas anderes, bis spät in die Nacht an eigenen Projekten zu arbeiten, als als Angestellter Überstunden in einer Agentur zu schieben. „Man kann sich in der Gestaltung verwirklichen“, sagt er. Es gab eine Zeit, da dachte Schwinge, er müsse „Geld verdienen“. Er arbeitete einige Zeit in Werbeagenturen, doch das sei nichts für ihn gewesen. Klassische Werbung machen, ist nicht sein Ding. „Ich bin nicht der Typ, der Akquise macht und Leuten erzählt, dass das, was sie haben, schlecht ist und ich alles viel besser mache.“

Ein Lexikon der Stuttgarter Clubkultur

Uli Schwinge sucht lieber nach Dingen, die gut sind, und die manchmal nur entdeckt oder wiederentdeckt werden müssen. Stuttgart ist da ein dankbarer Ort. So findet man im Verlagsrepertoire ein Buch über den Stuttgarter Künstler und Aktivisten Dietrich Albrecht, ebenso wie Lutz Schelhorns Bildband „Stuttgart Hauptbahnhof – Eins vor 21“. Schwinge legt sich künstlerisch keine Handschellen an. Deshalb steht eine Veröffentlichung über den lokalen Weinbau auch nicht im Widerspruch zum übrigen Verlagsprogramm. „Weinbau ist auch eine Kunst“, betont er.

„Dinge, die Stuttgart bewegen, finde ich spannend“, sagt Schwinge. Davon gebe es in der Landeshauptstadt viele. „In meinem Kopf schwirrt zum Beispiel ein Lexikon der Stuttgarter Clubkultur herum.“ Die Ausstellung und die möglichen Veranstaltungen denkt er bei so etwas gleich mit. Für die Zukunft wünscht er sich, „dass alle Stuttgarter, die spannende Projekte planen und für die sie brennen, bei uns anklopfen“.