„Der schwarze Abt“ (1963): Inspektor Puddler (Charles Regnier, re.) steht vor einem Rätsel: Wer ist der geheimnisvolle „Schwarze Abt“, der im Schloss von Lord Chelford spukt und mordet? Auch Dick Alford (Joachim Fuchsberger, li.), der Verwalter des Lords, spielt dabei eine dubiose Rolle. Foto: obs Foto:  

„Hello, hier spricht Edgar Wallace.“: Die Edgar-Wallace der 1960er- und 1970er Jahre sind bis heute ein Klassiker des Krimi-Genres.

Stuttgart - Eine düstere, nebelverhangene Nacht. Nur das Quaken der Frösche und das Rufen eines Uhus sind zu hören. Ein Mann im beigefarbenen Trenchcoat stapft, sich nach allen Seiten umschauend, durchs Gebüsch. Sein Ziel: die Ruinen der Abtei von Fossaway. Plötzlich sieht man zwei Augen hinter einer schwarzen Kapuze aufblitzen. Dann – ein markerschütternder Schrei. Mr. Smooth, der Besitzer eines nahegelegen Jagdhauses, wird von hinten erstochen – von einem schwarzen Abt. Schnitt. Ein schwarzer Schriftzug auf rotem Grund erscheint auf dem Bildschirm und eine sonore Stimme ertönt aus dem Off: „Hello, hier spricht Edgar Wallace.“

„Der schwarze Abt“ und andere cineastische Preziosen

So beginnt „Der schwarze Abt“, der 15. Film aus der Edgar-Wallace-Serie, die zwischen 1959 bis 1972 überwiegend von der dänischen Rialto Film gedreht wurde. Der Streifen aus dem Jahr 1963 gehört mit seiner gruselig-wohligen Stimmung, den verstaubten Kulissen und dem illustren Ensemble zu den Besten der Reihe.

Mit dem Original-Roman „The Black Abbot“ des englischen Schriftstellers und Journalisten Edgar Wallace (1857-1932) hat der Film wie die übrigen cineastischen Adaptionen nur entfernt etwas zu tun. Der gruftigen Atmosphäre tut das aber keinen Abbruch.

Antiquiert uns betulich, theatralisch und skurril

Zugegeben: Die 38 Filme, die ab Seriennummer 26 („Der Bucklige von Soho“) in Farbe produziert wurden, wirken heute etwas antiquiert und betulich. Gegenüber den diversen aufregend-aufgeregten Forensiker- und Detective-Krimiserien aus den USA wirken die Edgar-Wallace-Verfilmungen der 1960er- und frühen 1970er Jahre ziemlich albern, altbacken und verschroben. Und doch sind sie ein echter Klassiker des Genres. Der gestelzte, angelsächsisch-anmutende Humor, das Panoptikum skurriler Gestalten, die theatralischen Gesten und Schreie, das muffige Interieur der Schlösser und Herrenhäuser, die düsteren Blindenheime und finsteren Kellergewölbe sowie die eingespielten Originalszenen aus London sind typisch für die Filme, die immer etwas von einem Fernsehspiel hatten – eine Filmform, welche in den 60ern und 70ern im deutschen Fernsehen sehr populär war.

Für gestresste Gemüter sind „Die toten Augen von London“ (1961), „Das Gasthaus an der Themse“ (1962), „Der Zinker“ (1963) oder „Der Hexer“ (1964) Seelenbalsam. Regisseure wie Alfred Vohrer und Harald Reinl (der auch die Karl-May-Filme der 1960er Jahre drehte) und ein bewährtes Darsteller-Team sorgen für Kontinuität und bekannte Gesichter. Die Handlungsstränge sind stets ähnlich angelegt. Ein spektakulär in Szene gesetzter Mord im Vorspann, der reißerische Filmtitel in blutroten oder giftgrünen Buchstaben sind dem eigentlichen Krimi-Geschehen vorangestellt.

Fiese Verbrecher und lüsterne Polizeichefs

Die Verbrecher sind fiese Gestalten, die aus niederen Beweggründen morden, stehlen und betrügen. Die Chefs von Scotland Yard (unnachahmlich gespielt von Siegfried Schürenberg und Hubert von Meyerinck) sind lüsterne, ältere Herren, die an ihren wohlgeformten Sekretärinnen mehr interessiert sind an ihrer Arbeit. Die Ermittler (Joachim Fuchsberger, Heinz Drache, Siegfried Lowitz, Harald Leipnitz oder Klausjürgen Wussow) agieren besonnen und überlegt. Die weiblichen Hauptrollen sind mit attraktiven Schauspielerinnen besetzt (Karin Dor, Karin Baal, Brigitte Grothum). Auch in den zwielichtigen und komischen Rollen sind alte Bekannte der 60er-Jahre-Filme zu sehen: Klaus Kinsiki (grandios) als Kleinganove, der spielt als wäre er auf einem Endlos-Drogentrip; Eddi Arent als Butler oder Kriminalassistent, der tollpatschig und sprücheklopfend durch die Szenerie stolpert. Große Mimen wie Gert Fröbe, Elisabeth Flickenschildt und Lil Dagover treten in Gastrollen auf.

Die Filme spielen wie die Romane fast immer in London und Umgebung. Straßen in Hamburg und Berlin sowie deutsche Schlösser dienten als Drehort. Die Filmtitel geben einen ersten Hinweis auf den Hauptverbrecher („Der Frosch mit der Maske“, 1959; „Der unheimliche Mönch“, 1965; „Im Banne des Unheimlichen“, 1968) oder das Mordwerkzeug („Das indische Tuch“, 1963; „Der Hund von Blackwood Castle“, 1968; „Das Geheimnis der grünen Stecknadel“, 1972).

Miniröcke und Schlaghosen, Turmfrisuren und Koteletten

Mode und Filmmusik sind ein Spiegelbild ihrer Zeit: Miniröcke, nackte Busen, reißerische Soundtracks, Marylin-Monroe-Chick, Turmfrisuren, Schlaghosen, Koteletten und breite, scheußlich gemusterte Krawatten. Kurz gesagt: Edgar-Wallace-Filme sind einfach klasse.