Christine Fischer lenkt das Eclat-Festival in Stuttgart Foto: mdj/Manu Theobald

Das Eclat-Festival für Neue Musik gilt als anspruchsvoll. Wir sind offen für alle!, entgegnen die Verantwortlichen. Am 1. Februar geht „das Festival der freien Szene“ wieder los.

Ein gehöriger Hauch Steirischer Herbst weht alljährlich Anfang Februar durch Stuttgart: Offiziell als Forum der neuen Musik ausgewiesen, ist das Eclat Festival doch traditionell ein Parforceritt durch aktuelles spartenübergreifendes Kunstschaffen. Das ist auch in diesem Jahr nicht anders, wenn die Klangspezialisten und Eclat-Macher von Musik der Jahrhunderte von 1. bis 5. Februar das Theaterhaus in ein Labor der Künste verwandeln.

Beteiligte aus 30 Ländern

Immer wieder neu auf dem Prüfstand: der Begriff der Zeitgenossenschaft. „Die Künstler*innen des diesjährigen Festivals“, sagt Christine Fischer als Programmverantwortliche, „kommen aus mehr als 30 verschiedenen Ländern und vier Kontinenten, alle mit ihrer individuellen, oft polyglotten Geschichte und Erfahrungswelt“. Was sie verbindet? „Sie sind“, sagt Fischer, „wie wir alle konfrontiert von einem immensen Überangebot an Information und einer Komplexität von Ereignissen, die wir zu verarbeiten haben“. Und: „Jede’*r von ihnen durchpflügt diese Fülle an Eindrücken mit seinem individuellen Blick und nimmt eine eigene, spezifische Haltung in diesem Gefüge ein.“

Eclat-Bühne: Theaterhaus Stuttgart Foto: Theaterhaus

Haltung zeigt auch das Festival selbst. So geht am 3. Februar mit PlattformB ein „digitaler Produktions- und Diskurs-Raum für Künstler:innen im Exil“ an den Start, der zum Auftakt zuvorderst Künstlerinnen und Künstlern aus Belarus, der Ukraine und Russland zur Verfügung steht. Nicht nur hinsichtlich des bewusst offenen Dialoges ist sich Christine Fischer sicher: „Das Erlebnis dieser unterschiedlichen Perspektiven, das Kaleidoskop so unterschiedlichster Fokussierungen und Sinnlichkeiten, öffnet unseren Blick.“

Eclat als „kraftvoller Motor“

Für all dies sollen beim diesjährigen Eclat-Festival 19 Veranstaltungen im Theaterhaus Stuttgart sorgen. Vorgestellt werden 35 Werke, davon 22 Uraufführungen und sieben deutsche Erstaufführungen – Hochkaräter allesamt. Von einem Höhepunkt zu sprechen, wäre denn auch verfehlt, aber doch dürfte Samir Odeh-Tamimis Musiktheater-Uraufführung „Philoktet“ mit Texten von Sophokles, Heiner Müller und André Gide am 2. Februar zu den meistbeachteten Programmpunkten gehören. Für den in Berlin lebenden palästinensisch-israelischen Komponisten ist die Entwicklung von „Philoktet“ eng mit der „ganz besonderen Situation bei Eclat“ verbunden. „Man kann hier“, sagt Odeh-Tamimi, „mit Künstlern die man schon kennt, liegen gebliebene Fäden wieder aufnehmen und weiterspinnen“. Und er ergänzt: „Man wird als Künstler in das Festival und die Institution Musik der Jahrhunderte integriert. Und das macht Eclat meiner Ansicht nach zu einem kraftvollen Motor für die Weiterentwicklung der Neuen Musik.“

Musiktheater, Konzerte im klassischen Sinn, Konzerte, die ins Szenische ausgreifen, Performances, Wandelkonzerte sowie interdisziplinäre Formate im Dialog mit Literatur und Jazz erwarten das Publikum. Nicht nur für die internationalen Eclat-Fans wichtig: Allein acht Konzerte sind im Livestream zu erleben. Als auch in „Philoktet“ sicht- und spürbarer „feiner roter Faden“ zieht sich „die Auseinandersetzung mit Sprache und ihrem semantischen und inhaltlichen Gehalt“ durch das Programm.

„Glücksfall für die Stadt“

Eclat ist nach dem Experimentalfilmfest Filmwinter und neben der als Internationales Theaterfestival animierter Formen firmierenden Imaginale das dritte große Innovationsforum in Stuttgart. Das macht auch Kulturamtsleiter Marc Gegenfurtner stolz: „Für die Stadt“, sagt er, „ist es ein großer Glücksfall, dass mit Eclat ein so hochkarätiges Festival der Neuen Musik aus und mit der Stuttgarter Musikszene und in Verbindung mit internationalen Künstler*innen stattfindet“.

2020 überreichte Marc Gegenfurtner erstmals den Kompositionspreis der Stadt Stuttgart – damals an Ashley Fure (Mitte) und Andreas Eduardo Frank Foto: mdj/nmz

Seit fast vier Jahrzehnten ist der durch die Stadt jährlich ausgeschriebene Stuttgarter Kompositionspreis als Aushängeschild öffentlicher Förderung neuer musikalischer Wege eng mit dem Eclat-Träger Musik der Jahrhunderte verbunden. Für Marc Gegenfurtner ein Gewinn für beide Seiten. „So wie Eclat aktuelle künstlerische und gesellschaftliche Entwicklungen aufgreift“, sagt der Kulturamtschef, „arbeiten auch wir agil am Kompositionspreis mit seiner langen Tradition der Innovationsförderung, um ihn für heutige Diskurse zu öffnen und ihn auf allen Ebenen breiter zugänglich zu machen“. Geehrt werden dieses Jahr Andrés Nuño de Buen, Rama Gottfried und Davor Vincze – erlebbar sind ihre Kompositionen am 5. Februar.

Eröffnung am 1. Februar

Die nicht nur heimlichen Stars bei Eclat sind die Ensembles. Wichtig also, dass man neben dem SWR Vokalensemble auch das SWR Symphonieorchester im Theaterhaus hören können wird. Ein Ausrufezeichen setzt Eclat schon mit der Eröffnung am 1. Februar: Das Frankfurter Ensemble Modern begleitet und kommentiert eine Performance der Chinesin Huihui Cheng. Beginn ist um 19 Uhr.

„Besondere Kraft der Künste“

„Es wird spannend“, ist sich Eclat-Macherin Christine Fischer sicher. Und welche Chance hat das Festival inmitten der Realität digitaler Überfülle? „Befreit von eigenen oft Sackgassen-artigen Sichtweisen“, sagt Fischer, „eröffnet es uns einen weiten Reflexionsraum, in dem wir uns selbst wiedererkennen und uns gegenseitig neu wahrnehmen können“. Und nachdrücklich fügt sie hinzu: „Das zu ermöglichen, ist die besondere Kraft der Künste.“

Gut zu wissen

Tickets
Das passt zum Selbstverständnis von Eclat: Den einen Ticketpreis gibt es nicht, stattdessen kann man selbst wählen, welche Rubrik man ansteuert – „regulär“, „ermäßigt“ oder „Unterstützer“. Die Preise variieren entsprechend zwischen 0 Euro und 30 Euro pro Aufführung. Schülerinnen und Schüler sowie Studierende können mit Vorlage eines Ausweises für alle Veranstaltungen Steuerkarten zu 6 Euro an der Abendkasse kaufen. Inhaberinnen und Inhaber der Bonuscard + Kultur 2023 haben freien Eintritt zu allen Veranstaltungen. Die Karten sollten spätestens 30 Minuten vor der Veranstaltung abgeholt werden.

Ort
Das Festival Eclat – Festival für Neue Musik findet von 1. bis 5. Februar im Theaterhaus Stuttgart (Siemensstraße 11) statt.