Polizisten stellen bei Porsche Unterlagen sicher. Es geht um verbotene Werbung für den Diesel. Foto: dpa

Die Ermittlungen der Justiz gegen die Autohersteller sind zwingend – doch anders als die Justiz muss die Politik sich vor allem mit der Zukunft beschäftigen. Durch die einseitige Fixierung auf Fahrverbote hält sie Bürger von der neuesten der neuesten Dieseltechnologie fern, meint StN-Autor Klaus Köster.

Stuttgart - Wenn das so weitergeht, können deutsche Autobauer bald eigene Eingänge für Staatsanwälte und Kriminalpolizisten einrichten. Im vergangenen Jahr stellten die Ermittler die Audi-Zentrale wegen des Dieselskandals auf den Kopf, wenig später standen 250 Entwickler bei Daimler auf der Matte. Vor einigen Wochen war der BMW an der Reihe, und nun haben 200 Entwickler den Stuttgarter Sportwagenhersteller Porsche durchsucht.

Keine Angst vor großen Namen

Es spricht für die Staatsanwaltschaft Stuttgart, dass sie keine Angst vor großen Namen hat. Gerade in Stuttgart zeigt die Erfahrung allerdings, dass der Aufwand der Ermittlungen nur wenig über deren späteres Ergebnis aussagt. So bekam der einstige Porsche-Chef Wendelin Wiedeking nach jahrelangen Ermittlungen am Ende einen Freispruch erster Klasse. Ganz ähnlich war es bei der einstigen Landesbank-Führung. Der Unterscheidung zwischen Verdacht und möglichem Urteil kommt somit eine besonders große Rolle zu.

Bei Porsche haben die Ermittlungen nun eine besondere Stufe der Eskalation erreicht – es wird nicht nur gegen aktive oder ehemalige Mitarbeiter ermittelt, sondern auch gegen ein aktives Vorstandsmitglied, offenbar den Entwicklungschef. Damit müssen die Ermittler Anhaltspunkte dafür besitzen, dass der Stuttgarter Sportwagenhersteller tiefer in die Machenschaften der Konzernmutter VW verwickelt ist als bisher bekannt – obwohl er nie einen Dieselmotor selbst hergestellt hat. Zu den Fragen wird gehören, wie weit Porsche in die Manipulationen eingeweiht war – und wer sich an deren Vertuschung beteiligte.

Urteil der Kunden steht bereits fest

Lange vor dem Ergebnis der Ermittlungen gegen die Hersteller steht ein Urteil aber bereits fest: Das der Kunden: Sie wenden sich in Scharen vom Diesel ab. Viele Diesel-Käufer waren entsetzt, als sie erfuhren, dass ihr teurer Wagen trotz aufwendiger Abgasreinigungsanlage auf der Straße ein Vielfaches dessen ausstößt, was im Labor erlaubt ist. Der Absatz stürzt geradezu ab und mit ihnen die Restwerte. Eine Abwärtsspirale, deren Ende im Moment nicht absehbar ist – und die für die Wirtschaft der Region brandgefährlich ist.

Dennoch wäre juristische Nachsicht die falsche Antwort – strafwürdiges Fehlverhalten darf der Rechtsstaat ebenso wenig dulden wie die Unternehmen. Doch zur Aufarbeitung des Dieselskandals gehört außer rechtsstaatlicher Entschlossenheit auch politische Klugheit. So inakzeptabel die Diesel-Tricksereien auch waren, so klar ist, dass die Branche ihre Lektion inzwischen gelernt hat. Die neueste Dieseltechnologie basiert auf massiven Veränderungen der gesamten Konstruktion eines Motors und ist nicht mehr darauf angelegt, Umweltvorgaben zu umschiffen. Schon heute unterschreitet sie selbst schärfste Grenzwerte teilweise massiv. Doch die Begeisterung der maßgeblichen Umweltpolitiker über diese technologischen Sprünge hält sich in Grenzen, ebenso die über die deutliche Verbesserung der Stuttgarter Atemluft. In ihrer Agenda scheinen Fahrverbote einen festen Platz zu haben. Der Beweis, dass es auch ohne geht, soll gar nicht erst erbracht werden.

Fahrverbots-Debatte blockiert sauberen Diesel

Eine Umweltpolitik, der es um eine nachhaltige Verbesserung der Luftqualität geht, müsste die Verbreitung dieser Technologie beschleunigen. Doch stattdessen werden die Bürger weiter verunsichert und von der Nutzung einer Technologie abgehalten, deren Klimabilanz heute besser ist als die des Elektroautos. Dass es erst eines Skandals bedurfte, um den Diesel sauber zu bekommen, ist für die Autobranche alles andere ein Ruhmesblatt. Doch eine Umweltpolitik, die lieber ihre Vorurteile pflegt, als den technologischen Fortschritt auch beim Diesel voranzubringen, verhält sich nicht besser.

klaus.koester@stuttgarter-nachrichten.de